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Unternehmen unterschätzen die Bedeutung des Masters

Chancen für erfolgreiches Talent-Management

Dirk Zupancic03.06.2011

Die Verwirrung nach der sogenannten Bologna-Reform ist immer noch groß. Viele Unternehmen versuchen zu verstehen, was Bachelor-Absolventen wirklich leisten können und was sie von Master-Absolventen unterscheidet. Hinzu kommen Fragen zu den Unterschieden der Abschlüsse von Universitäten, Fachhochschulen und Dualen Hochschulen. Dabei stößt ein berufsbegleitendes Master-Studium für die eigenen Mitarbeiter bei vielen Personalentscheidern eher auf Skepsis. Teilweise begegnet man dem Thema mit klaren Absagen. Betrachtet man allerdings die Chancen einer solchen Weiterqualifizierung insbesondere für den Führungsnachwuchs, wird schnell klar: Hier liegt ein enormes Potenzial für Unternehmen – gerade vor dem Hintergrund des drohenden Fachkräftemangels. Eine aktuelle, von der GGS in Auftrag gegebene Studie zeigt: Studenten und junge Nachwuchskräfte wollen größtenteils einen Master. Aber: Personalentscheider unterschätzen die Bedeutung eines Master-Abschlusses für ihre Mitarbeiter derzeit noch. Das gilt sowohl für Großkonzerne als auch für kleine und mittelständische Unternehmen. Nur 13 Prozent der befragten Personalverantwortlichen in Großunternehmen legen künftig einen erhöhten Wert auf einen Master-Titel. Dagegen ist für 33 Prozent der jungen Nachwuchsführungskräfte, sogenannte Young Professionals, mit einem ersten Abschluss (i.d.R. ein Bachelor) ein Master-Studium grundsätzlich interessant. Ähnlich sieht es bei Klein- und mittelständischen Unternehmen aus. Hier legen nur fünf Prozent der Personalentscheider einen erhöhten Wert auf den Master, während für 21 Prozent der Young Professionals ein Master-Studium grundsätzlich interessant ist. Noch deutlicher wird die Diskrepanz, wenn man die Zukunftspläne der Bachelor-Studierenden betrachtet. So streben z.B. rund 85 Prozent der befragten Studenten der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart einen Master an. Ähnlich hohe Zahlen zeigen die Befragungen bei anderen Fachhochschulen und Dualen Hochschulen. Diese Zahlen lassen sich dadurch erklären, dass für viele Studenten der Bachelor-Abschluss eben noch nicht der vollwertige Studienabschluss ist, den die Bologna-Reform eigentlich anstrebte. Man sollte davon ausgehen, dass gerade die engagiertesten Studenten bis zum Master studieren wollen und werden.

Ziele des Talent-Managements

Die unterschiedliche Bewertung eines Master-Studiums durch Personalentscheider, Young Professionals und Studierende ist vor dem Hintergrund des künftigen Fachkräftemangels von Bedeutung. Denn nur das Unternehmen, das die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter richtig einschätzt, wird beim Ringen um die besten Nachwuchskräfte auch erfolgreich sein. Dabei lassen sich gerade berufsbegleitende Master-Studiengänge hervorragend für ein erfolgreiches Talent-Management nutzen. Hierbei kann es sich je nach Erststudium z.?B. um einen MBA, einen Master of Arts (MA) oder Master of Science (MSc) handeln.

Personalverantwortliche sollten also in Anbetracht des drohenden Fachkräftemangels konstruktiv und kreativ darüber nachdenken, welche Angebote man Fachkräften und Talenten im Bereich der berufsbegleitenden Master-Programme machen kann. Es geht um folgende Ziele:

  • Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber, der Weiterqualifizierung fordert und fördert.
  • Bindung der Talente und Fachkräfte an das eigene Unternehmen.
  • Qualifizierung der Führungskräfte und Experten, um daraus Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten.

Wie kann man diese Ziele mit einem berufsbegleitenden Master erreichen? Einige Beispiele:

1.Als Einstieg in das Unternehmen: Unternehmen werben um Bachelor-Studenten und Absolventen anderer Studiengänge mit einem Job plus berufsbegleitendem Master-Studium. Die Gebühren übernimmt das Unternehmen voll oder teilweise. Dazu wird der Student und Mitarbeiter mit einem eher bescheidenen Lohn eingestellt. Auf diese Weise lernen sich Kandidat und Unternehmen für ca. zwei Jahre unverbindlich und kostengünstig kennen. Eine anschließende Weiterbeschäftigung kann eine Option sein oder auch von Beginn an gewünscht werden.

2. Als Incentive: Ein Unternehmen bietet seinen „High Potentials“ einen MBA als Incentive an. Die Voraussetzungen sollten von Anfang an transparent und klar kommuniziert sein, beispielsweise durch erforderliche Praxisjahre, gute Evaluationen durch die Vorgesetzten usw. Das Unternehmen übernimmt die Kosten ganz oder teilweise und bietet gegebenenfalls Freiräume für das Studium. Ein Coaching des Studenten durch den Vorgesetzten oder einen Paten im Unternehmen steigert den Nutzen für das Unternehmen aus dem Studium zusätzlich.

3. Als Talentbindungsinstrument: Gerade für Mittelständler ist die Bindung von Fachkräften erfolgskritisch, aber – mangels Karrierechancen – auch schwierig. Bei Interessenten, die gerne berufsbegleitend studieren wollen, vermutet man höhere Ambitionen und befürchtet einen schnellen Unternehmenswechsel, wenn man in das Studium investiert. Vertragliche Bindungsklauseln greifen gesetzlich in solchen Fällen nicht. Die Lösung besteht darin, mit diesen Personen klare Bedingungen und Perspektiven zu vereinbaren. Dazu gehören die Eingangsvoraussetzungen für ein Studium und die erwartete Gegenleistung während und nach dem Studium. Eine gemeinsam formulierte Absichtserklärung steigert die Verbindlichkeit. Interessante Optionen bieten sich zusätzlich durch finanzielle Regelungen. Das Unternehmen kann sich z.?B. zur Kostenübernahme der Studiengebühren und gegebenenfalls weiterer Kosten in Form eines Mitarbeiterkredites bereit erklären. Dieser kann dann in zwei oder drei Jahren nach dem Studium schrittweise erlassen werden. Auch eine Finanzierung nach diesem Vorbild über einen Bildungsfonds oder Ähnliches ist möglich. Sollte der Mitarbeiter früher das Unternehmen verlassen, muss er die Verbindlichkeiten zurückzahlen.

4. Als Karrierebaustein: Unternehmen mit verschiedenen Führungsstufen können den berufsbegleitenden Master auch zu einer Voraussetzung für eine höhere Stufe definieren. Das Studium ist wegen der Arbeitsbelastung neben den fachlichen Inhalten immer auch eine große Herausforderung. Wer durch diese „Schule“ geht, hat auch bewiesen, dass er sich gut organisieren kann. Andere Qualitäten wie Netzwerke, Leadership und Teamfähigkeit werden ebenfalls gefördert. Diese kommen dann dem Kandidaten in seiner neuen Führungsrolle zugute.

Die vier Optionen sind idealtypische Beispiele, die sich natürlich kombinieren lassen. Sie zeigen, was heute möglich ist und genutzt werden sollte. Die Chancen bieten sich großen Konzernen ebenso wie kleinen. Erfolgskritisch ist in jedem Falle, dass solche Programme aktiv genutzt werden und die Mitarbeiter sich auf ihr Unternehmen verlassen können. Hier ist vor allem das Management als verlässlicher Partner gefragt.