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Im Gespräch mit RI-Präsident Sakuji Tanaka

»Ein Lächeln kostet kein Geld«

Im RI-Hauptsitz in Evanston trafen wir Sakjui Tanaka. Im Zentrum des Gesprächs stand das Schwerpunktthema seines Amtsjahres: Frieden. Sein erstes Global Peace Forum findet Ende November in Berlin statt

Insa Fölster12.11.2012

Sehr geehrter Herr Präsident, warum haben Sie Frieden zum Hauptthema Ihrer Amtszeit gemacht?
Sakuji Tanaka: Alle Menschen in der Welt sprechen häufig von und über Frieden, aber kaum einer denkt über ein umfangreiches Konzept zum Thema Frieden nach. Oftmals meinen die Menschen, Frieden sei die Zeit ohne Krieg. Meiner Ansicht nach gibt es kleinen und großen Frieden, beginnend mit der Familie im Kleinen, über die Gemeinschaft zu der Gesellschaft bis hin zur gesamten Welt. Sicherlich gehen die Vorstellungen von Frieden, abhängig von der Region, wie etwa in Kambodscha oder Afrika, auseinander.
 
Glauben Sie, dass wir in einer Zeit leben, in der der Friede bedroht ist?
Das ist schwierig zu sagen, da in einigen Gebieten Frieden herrscht und in anderen leider nicht. In wirtschaftlich gut aufgestellten Gebieten wie Japan oder Amerika haben die Menschen ein gutes Leben und verfügen über ausreichende Mittel, sind aber trotzdem nicht glücklich, und das gilt für die ganze Welt.
 
Was ist Ihre persönliche Erfahrung zum Thema Frieden?
Ich habe meine Erfahrungen im Alter von sieben Jahren gemacht, als Japan am Ende des Zweiten Weltkriegs den Alliierten unterlag. Ich besuchte die Grundschule und entstamme einer armen Familie. Wir lebten in sehr bescheidenen Verhältnissen und kämpften ums Überleben; es gab keine Lebensmittel. Ich erinnere mich sehr gut an die Verdunklung. Alle wollten verhindern, dass die Flugzeuge die Stadt finden und Bomben abwerfen, deshalb legte man dunkle Tücher über die Lampen.
 
Können Sie uns Ihr Motto „Frieden durch Einsatz“ erläutern?
Meine eigene Definition davon ist, sowohl für den Einzelnen als auch für die Gemeinschaft von Nutzen zu sein. Wenn ich morgens aufstehe, überlege ich, wie ich anderen Menschen helfen, sie vielleicht ein bisschen glücklicher machen kann. Ich glaube, wenn sich alle Menschen darüber Gedanken machten und es praktizierten, könnte die Welt friedvoller werden. Das kann ein Lächeln für einen anderen Menschen sein, sich für andere zu interessieren und sich um sie zu kümmern. Das ist ganz einfach und kostet kein Geld.

In welchem Bereich sollten sich Rotarier – z.?B. in Deutschland – stärker engagieren: in ihrem eigenen Umfeld oder im Bereich der Entwicklungsländer?
In einigen Regionen haben Sie bereits sehr gute Gemeinschaften. Wenn die Menschen in diesen Regionen es auch so empfinden, sollten sie sich ruhig stärker international engagieren. Aber das hängt selbstverständlich von jedermann selbst ab, ob er sich lieber lokal oder international einbringen möchte.
 
Glauben Sie, dass in befriedeten Gebieten wie Japan, Europa oder Nordamerika der Frieden sicher ist, oder ist er potenziell gefährdet?
Ich bin der Ansicht, dass der Frieden in jedem Land potenziell gefährdet ist, weil es Menschen mit unterschiedlichen Denkweisen gibt. Es gibt mitunter auch charismatische Führungspersonen, die sich gegen ein System wenden und einige Menschen überzeugen, sich der Anarchie und dem Terrorismus zuzuwenden. Wir müssen den Frieden erhalten und anderen Menschen die Bedeutung von Frieden deutlich machen. Wenn wir mehr Menschen wie die Rotarier hätten, hätte nach meiner Überzeugung die Welt eine größere Chance auf Frieden.
 
Was ist Ihre Botschaft für den einzelnen Rotarier zum Thema Frieden?
Versuchen Sie, das Gute in jedem Menschen zu sehen. Wenn ich jemandem begegne, von dem ich weiß, dass wir bisher kein positives Verhältnis zueinander hatten, versuche ich, drei gute Seiten an dieser Person zu finden und mich an sie zu erinnern. Erfreulicherweise hat dieser Mensch sein Verhalten dann auch geändert. Ich denke, man muss sich darüber im Klaren sein, dass Missverständnisse und negative Gefühle nicht allein von einer Person ausgehen. „Schuld“ sind immer beide Seiten, und jeder ist zu einem Teil verantwortlich. Wenn wir das verinnerlichen, können wir Frieden erzielen.
 
Aber manchmal sieht man sich Zeitgenossen gegenüber, die gar keinen Frieden wollen, die aus religiösem Fanatismus gegen die offene Gesellschaft sind. Wie sollen wir mit diesen Menschen umgehen?
Wir müssen uns im Klaren sein, dass es immer Ausnahmen gibt. Wir sollten uns auf das konzentrieren, was wir tun können und dort den Schwerpunkt setzen, sonst bewerkstelligen wir nichts. Nehmen Sie z.?B. Polio: Anfangs dachten wir, es wäre vollkommen unmöglich, die Kinderlähmung zu besiegen. Mittlerweile haben wir Polio zu 99 Prozent besiegt. Wenn wir zu 99 Prozent Frieden schaffen können und ein Prozent bleibt übrig, dann können wir leider nicht mehr tun. – Das ist die Realität.
 
Müssen die Rotarier lernen, geduldiger zu sein?
Geduld, Aufgeschlossenheit und Großzügigkeit gegenüber Menschen, die möglicherweise anders denken als wir, sind die Tugenden der Rotarier. Diese Menschen nicht auszuschließen bedarf es Großherzigkeit und Integrität.
 
Wie wichtig ist die Jugend für die Schaffung von Frieden?
Die Jugend ist die Zukunft der Welt. Junge Menschen verfügen über ein großes Potenzial, ehrenamtlich tätig zu sein. Wichtig ist, dass die Erwachsenen ihnen die Möglichkeit geben, sich zu entwickeln und ihre Talente in die Ehrenamtlichkeit einzubringen. Das ist auch ein Weg, Frieden zu fördern. Die alte Generation sollte die Leistungen der Jungen anerkennen und ihnen behilflich sein, ihre Stärken und guten Eigenschaften auszubilden.
Welche Rolle spielen die Rotary-Jugendprogramme wie Rotaract und Interact in diesem Kontext?
Ich halte die Zusammenarbeit mit den Mitgliedern von Rotaract und Interact, ihnen zuzuhören statt sie sich selbst zu überlassen, und mehr Aktivitäten mit ihnen gemeinsam zu realisieren, für sehr wichtig für die Rotarier. Ich wünschte, die Erwachsenen würden junge Menschen zu großen Träumen und großen Zielen animieren, weil sie mittels großer Träume und Ziele ihre Potenziale zielführend entwickeln können.
 
Wie können Länderausschüsse helfen?
Ich bin der Ansicht, dass die Kooperation mit Länderausschüssen unsere Leistungsfähigkeit enorm steigert. Ich würde diese Zusammenarbeit gern sehen.
 
Verfügt Rotary im Hinblick auf das Thema Frieden über genügend Mittel oder brauchen wir weitere Programme?
Ich bin überzeugt, dass wir über genügend Mittel verfügen. Wie sie anzuwenden sind, kann eine Herausforderung darstellen und ist von den Rotariern abhängig. Ich denke, dass es unsere Organisation stärkt, wenn sich jeder Freund seines Potentials als Rotarier bewusst ist. Ich glaube, wenn jeder von uns drei Gründe findet, weshalb er stolz darauf ist, Rotarier zu sein, und jedermann verstehen kann, weshalb er derart fühlt, dann gibt es ihm genug Vertrauen, beharrlicher für die Welt zu arbeiten.
 
Was ist die konkrete Idee für das Global-Peace-Forum, und welches Ziel verfolgen Sie damit?
Wir haben drei Peace-Foren; jedes von ihnen verfügt über ein Gremium mit einem Vorsitzenden. Mit welchen Themen sich die einzelnen Foren beschäftigen, entscheiden sie selbst. Gemeinsam ist den Foren, dass so viele junge Menschen wie möglich eingebunden werden sollen.

 

Aber die ursprüngliche Idee zu diesen drei Konferenzen stammt von Ihnen. Was verbinden Sie damit?

Ich wollte Orte schaffen, an denen wir in einem größeren Rahmen über das Thema Frieden debattieren können. Im Verlauf dieses Jahres bat ich jeden Club, während der Meetings und Distriktkonferenzen über Frieden zu sprechen und sich Gedanken zu diesem Thema zu machen. Ebenso bat ich die Organisatoren der Friedensforen, junge Menschen einzuladen und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu diskutieren, was ihnen Frieden bedeutet, und Frieden in jedermanns Bewusstsein zu bringen; denn die Menschen sprechen oft ganz allgemein über den Frieden, aber sie denken nicht ernsthaft genug darüber nach, was er ihnen bedeutet.

 

Welches Ergebnis wünschen Sie sich von diesem Forum?

Ich wünschte mir, dass sich jedermann mit der Idee beschäftigt, zu seiner eigenen Definition findet, sich mit anderen Menschen austauscht und herausfindet, was der einzelne junge Mensch für den Frieden tun kann. Das Vermögen des Einzelnen ist gering, aber mit der Kraft von 1,2 Millionen ist die Leistungsfähigkeit umfassender.

 

Weshalb haben Sie sich für Honolulu/Hawaii, Hiroshima und Berlin als Tagungsorte entschieden?

Diese Plätze stehen aufgrund ihrer Historie für ein besonderes Interesse an und den Wunsch nach Frieden. Deshalb habe ich sie ausgewählt. Allerdings: Wir sprechen nicht über den Abwurf der Atombombe, das ist nicht unser Fokus. Unser Fokus liegt darauf, wie wir Frieden schaffen können. (Anm. der Red.: Präsident Tanaka zeigt uns eine Sammlung von Papierkranichen) Wissen Sie, wofür in Japan der Kranich steht? Er ist ein Glückssymbol. Wir glauben, dass wenn man 1.000 Kraniche faltet, ein Wunsch in Erfüllung geht. Es ist unser Wunsch nach Frieden. Diese Kraniche haben Mitarbeiter gefaltet. Im Partnerprogramm während der International Assembly wurden noch mehr Kraniche gefaltet, so dass wir jedem Friedensforum mehrere Kraniche werden übergeben können.

 

Das Gespräch führten Insa Feye und René Nehring.