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Recklinghausen/Tansania

Ein Netzwerk leistet „Hilfe zur Selbsthilfe“

Horst Sablonsky09.04.2011

Was gehört zu einer nachhaltigen Entwicklungshilfe? Manch einer würde Bildung und den Bau von Schulen als vorrangige Aufgaben nennen. Für andere wiederum steht eine effiziente Gesundheitsversorgung ganz oben auf der Prioritätenliste. Und wieder andere würden als Erstes den Zugang der Bevölkerung zu sauberem Trinkwasser als wichtigste Herausforderung ansehen. Doch was ist eigentlich, wenn sich eine Organisation gleich aller drei Aufgaben annimmt? Also sich um Bildung, ­Wasser und Gesundheit kümmert? Dann kann man wohl von einem Lehrstück in Sachen Aufbauhilfe sprechen. Deren Protagonisten: die Mitglieder des Rotary Clubs Recklinghausen-Haard.

Gesundheit

Während seines Aufenthaltes in der Diözese Mbinga im Süden Tansanias begegnete Dr. Werner Jax (RC Recklinghausen-Haard), ehemaliger Chefarzt der Inneren Abteilung im Marien-Hospital Marl, Bischof Emanuel Mapunda. „Er bat mich um Unterstützung für das Diözesan-Krankenhaus in Litembo, das rund 40.000 Afrikaner versorgt und vor dem organisatorischen Zusammenbruch stand“, erzählt Jax.

Die deutsche Ärztin Frau Dr. Weyer hatte das Krankenhaus aufgebaut und überregional bekannt gemacht. Leider gab es nach ihrer Verabschiedung im Jahre 1996 keinen adäquaten Ersatz. Eine Schließung des Hauses hätte jedoch für viele Menschen das sichere Todesurteil bedeutet, weil das nächste Krankenhaus rund 125 Kilometer entfernt liegt. Wieder nach Deutschland zurückgekehrt, hatte Werner Jax keine Mühe, seine Freunde im Rotary Club davon zu überzeugen, das Hospital in Tansania zu unterstützen. Auch der katholische Träger des Krankenhauses, in dem er bis zu seiner Pensionierung tätig war, sicherte Hilfe zu. Eine überaus erfolgreiche Vernetzung begann: Heute ist das afrikanische Krankenhaus auch dank finanzieller Unterstützung des Hilfswerks Miserior und weiterer Partner baulich und technisch erneuert. Ärzte konnten eingestellt werden, und mehrere Container mit medizinischen Geräten wurden von Deutschland nach Tansania verschifft. Um zu gewährleisten, dass die Tansanier das moderne Equipment auch anwenden können, brechen seit einigen Jahren regelmäßig Ärzte, aber auch Medizintechniker der Gerätehersteller auf, um die Mitarbeiter in dem afrikanischen Land im Umgang mit modernen Behandlungsmethoden und den Geräten aus Deutschland zu schulen. Da gab es Arztpraxen und Krankenhäuser, die bereitwillig medizinische Geräte spendeten. Und es gab Ärzte, Krankenschwestern und Medizintechniker, die sogar einen Teil ihres Urlaubs opferten, um zur Schulung nach Tansania zu reisen. Und nicht zuletzt glückte dank bester Kontakte zum rotarischen Freund Jörg Conrad des RC Bremen eine logistische Meisterleistung, nämlich mehrere Container mit medizinischem Gerät sicher zu Lande und zu Wasser an seinen Bestimmungsort in Tansania zu transportieren.

 Wasser

Während das Krankenhaus in Litembo heute wieder eine gute medizinische Versorgung anbieten kann und einen hervorragenden Ruf genießt, lag die Gesundheitsversorgung in der benachbarten Kleinstadt Lituhi mit rund 6000 Einwohnern brach. Im Gesundheitszentrum fehlte es an vielem – vor allem an den Voraussetzungen einer medizinischen Versorgung, nämlich Strom und Wasser. Diese prekäre Situation verbesserte sich erst, als ein vom Rotary Club Recklinghausen-Haard gesponserter 55-KW-Strom-Generator per Container nach Tansania gelangte. Damit kann inzwischen Energie erzeugt werden. Doch die Trinkwasserversorgung war nach wie vor ein Problem. „Sauberes Wasser ist die Voraussetzung für medizinische Hilfe. In Lituhi beispielweise schöpften die Menschen das Wasser aus einem mit Koli-Bakterien verseuchten Brunnen und aus verunreinigten Flüssen. Die Menschen litten unter Durchfall“, erzählt Rüdiger Florin (RC Recklinghausen-Haard). Also machte er es sich zu seiner Aufgabe, vor Ort die organisatorischen Weichen für sauberes Trinkwasser zu stellen. Dazu führte er Gespräche mit Vertretern der Diözese und staatlichen Stellen im Verwaltungsdistrikt. Mit Erfolg:

Eine Wasserquelle wurde erschlossen und eine 15 Kilometer lange Wasserleitung verlegt, die durch Gravitation das Trinkwassers nach Lituhi leitet. Die anschließend gebauten Wasserspeicher versorgen nicht nur das Gesundheitszentrum, sondern auch die Menschen in Lituhi und den benachbarten Dörfern mit sauberem Trinkwasser. „Der Erfolg dieses Projektes ist vor allem der Tatsache zu verdanken, dass von Anfang an alle Beteiligten eingebunden waren. Wir Rotarier stellen die finanziellen Mittel und organisatorische Unterstützung zur Verfügung. Für die Durchführung des Projekts, für Betrieb, Nutzung und Wartung der Anlagen sind somit die Tansanier selbst verantwortlich“, so Rüdiger Florin.

Bildung

Die Rotarier arbeiten zurzeit mit Hochdruck an dem dritten Baustein ihrer „Hilfe zur Selbsthilfe“: der Bildung. In Planung ist eine Highschool für Naturwissenschaften in Litembo. Klassenräume und Laborräume sind bereits vorhanden, auch zwei Lehrer stehen zur Verfügung. „Wir benötigen noch einen weiteren Lehrer für Biologie und vor allem eine Ausstattung für unsere Labore in den Fächern Physik, Chemie und Biologie“, sagt Rüdiger Florin. Und Werner Jax ergänzt: „Wir haben jetzt eine solide medizinische Versorgung aufgebaut. Um sie dauerhaft abzusichern, brauchen wir auch einen gut geschulten naturwissenschaftlichen Nachwuchs. Und ein attraktives Schulangebot wird sicher auch dazu beitragen, noch mehr Mediziner und ihre Familien an unsere Region zu binden.“