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Berufsinformation – Der Klassiker ist beliebt wie nie

Ein Guter Rat fürs Leben

Rotarier gehen in Schulen und erzählen jungen Menschen vor der Berufswahl aus ihrem Arbeitsalltag – das ist traditionell ein stark nach­gefragtes Serviceangebot unserer Clubs. Das Wie und Wo allerdings hat über die Jahre manche Änderung erfahren

Matthias Schütt17.03.2015

Der Besuch in der Schule ist heute nur noch eine von verschiedenen Spielarten, wie man mit Berufssuchenden ins Gespräch kommt. Auch wenn die Grundstruktur „Rotarier erzählen – Schüler fragen“ unverändert gilt, junge Leute hören nicht mehr einfach zu und gehen wieder. Sie wollen Kontakte, suchen Praktika und persönliches Coaching. So wie sich die Berufsinformation heute darstellt, entspricht sie dem Verständnis eines neuen Berufsdienstes, der sich nicht mehr auf einzelne Gruppen, etwa Gymnasiasten, und schon gar nicht auf einzelne Muster beschränken will. Nicht nur Vorträge, Betriebsbesichtigungen oder berufliche Ego-Berichte. Vielmehr prägt ein abgestuftes nachhaltiges Konzept zur Förderung junger Menschen im Alter von vier bis 40 Jahren das neue Denken. Wenn der Berufsdienst als Alleinstellungsmerkmal der Rotarier im Vergleich zu anderen Serviceclubs gilt, weil sich aus diesem Themenfeld die rotarische Idee herausgeschält hat, dann ist es wichtig, das Angebot dem Wandel der Zeit immer wieder anzupassen, will man weiterhin Einfluss auf Bildung und Arbeitswelt nehmen.

Berufsdienst als traditionelle Marke ist inzwischen nur noch ein Schlagwort, was alles dahintersteckt, ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Deshalb haben sich die Verantwortlichen in Distrikten und Deutschem Governorrat einen Untertitel gesucht, der den neuen Ansatz transparent machen soll: Werte – Bildung – Beruf. Mit dieser Trias wird deutlich, dass es nicht nur um einzelne Veranstaltungen geht und auch nicht einfach um Tipps zur Berufswahl. Im Fokus steht die Idee, verschiedene Angebote altersgerecht zu staffeln, um über gezielte Beiträge zur Elementarbildung, Förderung insbesondere von naturwissenschaftlichen Fächern (MINT), die persönliche Ansprache in der Berufsfindungsphase sowie Stipendienangebote für Akademiker und Berufsanfänger daran mitzuwirken, dass junge Menschen ein stabiles Fundament erhalten und unsere Wirtschaft den notwendigen gut ausgebildeten Nachwuchs. Nicht zufällig steht „Werte“ an erster Stelle: Es geht ja nicht um ein Maklergeschäft zwischen Jugend und Wirtschaft, sondern darum, Jugendlichen neben Fachinformationen und Orientierungshilfe auch die Grundlagen unserer gesellschaftlichen Ordnung und insbesondere die Bedeutung von „soft skills“ zu vermitteln.

München als Vorbild
Wie sich unter diesen Aspekten die gute alte Berufsinformation für Gymnasiasten gewandelt hat, ist einen vertieften Blick wert. Auffällig ist zunächst, dass sich vermehrt Clubs für entsprechende Angebote zusammenschließen, weil das die Organisation erleichtert, vor allem aber das Spektrum der Beratungsmöglichkeiten erweitert. Ein Musterbeispiel dazu findet sich in München. Der RC München-Mitte hat in über 30 Jahren „aus kleinen Anfängen eine beinahe professionelle Berufsinformation entwickelt“, wie Hubertus von Dewitz erzählt, der dieses Projekt aufgebaut und sein Amt 2014 an Clubfreund Bernd Grottel weitergegeben hat. Zunächst war man auch hier in die Schulen gegangen, um persönliche Einblicke in die verschiedenen Berufe zu geben. Heute hat sich nicht nur das Angebot wesentlich differenziert, es steht tatsächlich auf einer professionellen Basis: Die „Rotary Berufsinformation München“ ist ein Unternehmen mit zwölf bis 16 Anteilseignern (Clubs), eigener Geschäftsstelle und einem dreistufigen Servicemodell: Neben Veranstaltungen im Berufsinformationszentrum (BIZ) der Bundesagentur für Arbeit, bei denen die Rotarier gemeinsam mit BIZ-Mitarbeitern grundlegende Informationen zu einzelnen Berufen und Berufsgruppen geben und in anschließenden Seminaren Rede und Antwort stehen, gehören dazu auch Vorträge und Gespräche an Schulen sowie die Vermittlung von Praktika in Unternehmen. Zielgruppe sind 1500 Jugendliche der letzten drei Ober­schuljahre an rund 90 Gymnasien in München und Umgebung.

Spezielle Fragestellungen
Die Suche nach den richtigen Referenten in den Clubs für die Veranstaltungen in den Schulen nennt Armgard von Bredow von der Geschäftsstelle als schwierigste Aufgabe. Lehrer melden dem Büro die Wünsche der Schüler. Dabei geht es nicht immer um allgemeine Überblicksinformationen („Rechtsanwalt werden“), sondern oft um ziemlich aktuelle und ganz spezielle Fragestellungen, etwa die Folgen der Globalisierung für die berufliche Orientierung. Wie komplex das Themenfeld Berufsfindung im akademischen Bereich ist, lässt sich aus der Anzahl der Studiengänge an deutschen Hochschulen von „Abenteuer- und Erlebnispädagogik“ bis „Zupfinstrumente“ erkennen: Sie schwankt nach unterschiedlichen Quellen zwischen 13.500 und 16.000, differenziert nach Lehrangebot, Studienabschlüssen und Hochschultypen.

Gleichzeitig breit und in die Tiefe gehend sollte deshalb das ideale Beratungsangebot für den Nachwuchs sein. Da kann selbst Rotary, das in München für das Projekt immerhin über 100 Mitglieder aufbietet, nur
einen Teil abdecken. Dennoch wird der Kontakt zu Rotary gesucht. Das Besondere, das, was traditionell die Stärke Rotarys ausmacht, sieht Peter Pauli von der Arbeitsagentur München in der persönlichen Begleitung: „Das hat natürlich einen ganz anderen Stellenwert als neutrale Fachinformation. Und manchmal kann so ein Begleiter auch schon mal eine Tür aufstoßen …“. Wünschen würde Pauli sich allerdings, dass stärker für naturwissenschaftliche Disziplinen geworben und soziale Berufe berücksichtigt würden. Immerhin werden in diesem Jahr erstmals handwerkliche Berufe vorgestellt. Diese Neuheit ist auch vor dem Hintergrund einer nach wie vor hohen Zahl an Studien­abbrechern interessant: Bezogen auf 2010 liegt die Quote laut Hochschulinformationssystem (HIS) je nach Abschluss zwischen 23 und 28 Prozent, das Problem betrifft also jeden vierten Studienanfänger …

Ähnlich breit angelegte Konzepte gibt es seit 2003 im Saarland (Messe „Abi – was dann?“), organisiert von 16 Rotary Clubs im Distrikt 1860, sowie im Distrikt 1820, der alljährlich einen hessenweiten Berufsinformationstag aufzieht. Die eindrucksvollen Kennzahlen des jüngsten Durchgangs: 8000 Schüler konnten sich an 32 Standorten informieren, 1300 Experten und 57 Clubs waren beteiligt. Auch in Münster („Schüler fragen Chefs“), Regensburg („Orientierung im Job-Labyrinth“) oder Heidelberg („Schüler treffen Experten“) haben sich Clubs zu Großveranstaltungen zusammengetan.

Im Distrikt 1910 versucht Peter Zörer (RC Wien-Stadtpark) die früher erfolgreiche, dann lange Zeit eingeschlafene Berufsinformation wiederzubeleben, denn Nachfrage ist vorhanden: „In Graz funktioniert das clubübergreifend sehr gut, in Wien müssen wir noch was tun“, so Zörer (zum Berufsdienst in Österreich s. auch S. 104).

Internet funktioniert nicht
Die entscheidende Qualität umschreibt das Stichwort „persönlich“.
Internetbasierte Beratungsangebote haben sich nicht durchsetzen können: „Meet the Professionals“ war ein Projekt des RC Kleve, der 2004 eine Datenbank aufbaute, in der sich Schüler auf einer Website zu ihrem Wunschberuf durchklicken konnten. Gab ein Interessent seine Kontaktdaten ein, suchte ein Koordinator den passenden rotarischen Experten und meldete dessen Kontaktdaten zurück. Der vermeintliche Vorteil – individuelle, zielgerichtete Beratung statt allgemeiner Informationen auf dem Infoabend – überzeugte schnell Nachahmer in anderen Regionen, die aber inzwischen fast alle das Projekt wieder aufgegeben haben. Initiator Harald Korth (RC Kleve) vermutet, dass andere Kommunikationskanäle wie Facebook junge Leute inzwischen stärker ansprechen, und will auch eine gewisse Scheu vor dem Direktkontakt nicht ausschließen. Jedenfalls wurde „mtp“ immer seltener aufgerufen. 

Ähnlich die Eindrücke von Dorothée Putzier (RC Berlin-Lilienthal), die 2009 mit zehn Berliner Clubs und 250 Experten online ging. „Viele Schüler wissen oft noch gar nicht, wo es beruflich hingehen soll. Die können sich beim Rotary-Infoabend besser erst einmal grundlegend orientieren, bevor sie gezielt weiterfragen. Wir hatten schlicht zu wenig Resonanz, was auch daran lag, dass die Schulen mitspielen müssen. Wenn es dort keine permanente Werbung gibt, bleibt der Zulauf aus.“

Das direkte persönliche Gesprächsangebot bleibt also der Königsweg zur jungen Generation und zeigt sich in München und anderswo auch erfrischend aktuell. Wobei noch einmal betont werden muss, dass die Zielgruppen der Berufsinformation heute wesentlich weiter gefasst sind als in den Anfängen. Die Sorge vor der demografischen Entwicklung und ihren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat seit einigen Jahren dazu geführt, dass sich der Berufsdienst immer stärker auch für die schulischen Erfolge von Jugendlichen interessiert, die zunächst nicht als zukünftige Führungskräfte gehandelt werden. Wenn man bedenkt, dass allein in Schleswig-Holstein über 11.000 Arbeitslose der Altersgruppe 25 bis 35 Jahre keinen Berufsabschluss haben, dürfte die Nachfrage nach rotarischer Beratung und frühzeitiger Förderung noch weiter zunehmen.

Matthias Schütt

Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.