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Maria Theresia

Eine aufgeklärte Monarchin

Maria Theresia - Eine aufgeklärte Monarchin
Maria Theresia, Erzherzogin von Österreich, Königin von Ungarn und Böhmen in einem Gemälde von Martin van Meytens © mauritius images / Artexplorer / Alamy

Schlesien verlor sie an Preußen. Doch mit ihrer Hinwendung nach Ungarn schuf Maria Theresia einen Staat, der Europa heute als Vorbild dienen könnte.

Eberhard Straub01.05.2017

Der letzte Monarch aus dem alten Hause Österreich, Maria Theresia, vor dreihundert Jahren am 13. Mai 1717 geboren, wird umgangssprachlich meist Kaiserin genannt. Sie war nie eine Kaiserin, allerdings die Gattin eines Kaisers: Franz I. aus dem Hause Lothringen. Zur Kaiserin ließ sie sich nie krönen, trotz der Bitten ihres Mannes, sich diesem festlichen Brauch nicht zu verweigern. Die Kaiserkrone bedeutete für sie einen Hinweis darauf, im Reich nicht vollständig souverän, sondern verpflichtet zu sein, bei ihren politischen Entscheidungen das Reich und den Kaiser als übergeordnete Größen zu berücksichtigen. Dazu war sie nicht bereit. Unter ihren vielen Titeln erlaubte ihr nur der Titel eines Königs von Ungarn vollständige Unabhängigkeit vom Reich und Gleichberechtigung mit dem Kaiser. Sie bekannte immer wieder, eine aufrichtige Ungarin zu sein.

Kaiser Franz musste seine Politik im Reich und in Europa möglichst in Einklang mit den Interessen seiner Frau verfolgen, die als Ungarin nicht zum Reich gehörte. Das fiel ihm nicht immer leicht. Denn er begriff sich als Reichsfürst im Heiligen Römischen Reich und nahm das Reich und seine Kaiserwürde als selbständige Größen ernst, wozu Maria Theresia nie bereit war. Es ist kein Wunder, dass der an sich liebenswürdige und elegante Kaiser es bald vorzog, seine Wohnung in einem Stadtpalais zu nehmen, um häuslichen Widrigkeiten zu entgehen, die zugleich politische waren. Seine Frau war unduldsam, schätzte keinen Widerspruch und war gewöhnt, dass ihr Wille geschehe. Sie war ergriffen von ihrer königlichen Majestät, von ihrer Selbständigkeit und von den Machtmöglichkeiten, die sie ihr gewährten.

Selbstverständnis eines Monarchen
Das berühmte goldene Herz der Wienerin Maria Theresia konnte metallisch hart glänzen. Sie vergaß nie ihre Würde, die sie weit über alle erhob. Die sechzehn Kinder aus ihrer Ehe bestätigen nicht unbedingt eine erotisch verspielte Herzlichkeit. Zur Sicherheit ihrer Throne brauchte sie Kinder, vor allem Söhne, damit die Monarchie ihres Hauses nicht noch einmal in eine solche Existenzkrise geriet wie bei ihrem Regierungsantritt im Herbst 1740. Die Begeisterung der Ungarn im Kriege um Schlesien mit Friedrich II. von Preußen, weckte nicht die Mutter und Frau, sondern der kleine Kronprinz Joseph, den sie im September 1741 nach ihrer Königskrönung in Preßburg, damals noch Hauptstadt Ungarns, den um ihre Vorteile feilschenden Ständen präsentierte. Ihr Sohn, der spätere Kaiser und König Joseph II., bot die Garantie auf eine Zukunft des neuen Hauses Habsburg-Lothringen, und festigte die Loyalität zur Krone. Das populäre Bild der weinenden verfolgten Unschuld, der hilflosen, von allen verlassenen Frau und Mutter, die mit ihrer rührenden Weiblichkeit die Herzen der Magnaten überwältigt und sie an ihre Ritterlichkeit erinnert, gehörte zu den Erfindungen, die auch damals schon gebraucht wurden, um politische Stimmungen zu wecken und in die gewünschte Richtung zu lenken.

Maria Theresia war nie gemütlich oder sentimental. Sie konnte von Anfang an zäh und geschickt verhandeln, machte unentschlossenen Ratgebern und bedächtigen Generälen Mut. Es ging ja gar nicht um sie, sondern um die Krone, um die Größe ihres Hauses und die Majestät der österreichischen Monarchie. Sie konnte, wenn sie wollte als adeliges Frauenzimmer bezaubern, sie sang ausgezeichnet, machte eine gute Figur auf der Bühne, hatte vollendet feine Manieren und sprach gewandt Italienisch, Latein, Französisch und Deutsch im Ton ihrer Amme aus Wien, ungehobelt und drastisch.

Doch sie begriff sich nie im Sinne heutiger Feministinnen oder männlicher Frauenversteher als sensible, berufstätige Mutter, fähig ihre verschiedenen sozialen Kompetenzen in Küche, Kinderzimmer und im Büro zur Geltung zu bringen. Sie war immer im Dienst, immer Staatsmann, und auch ihre anmutigen Gunstbeweise bestätigten die Majestät, die auf gefällige Formen angewiesen war, um zu überzeugen. Es fiel ihr selber auf, dass sie als Herrscherin bald die Geduld bei den geselligen Ablenkungen am Hofe verlor. Nur noch selten verließ schon die junge Monarchin ihren Schreibtisch und ließ sich noch im Bett bis um Mitternacht Briefe und Akten vorlesen.

Sie führte – außer Kaiserin als rein zeremonielle Anrede – keinen weiblichen Titel, weil der Staat nicht auf weibliche oder männliche Listen oder Künste angewiesen ist, sondern auf Vernunft und verständigen Umgang mit den Geboten der Staatsräson, die damals noch unabhängig vom Geschlecht aufgefasst wurden. Insofern gelang ihr das größte, wie 1980 eine Mailänder Zeitung in Erinnerung an ihren Todestag zweihundert Jahre zuvor urteilte, nämlich als Herzog von Mailand den Staat zu schaffen, der funktioniert. Dies Lob lässt sich auf alle ihre Kronländer übertragen. Der weitere Bestand der Monarchie war bei ihrem Regierungsantritt gefährdet, weil trotz aller vertraglichen Abmachungen die europäischen und einzelne deutsche Kabinette gar nicht daran dachten, sich an Verträge zu halten.

Der Vater Maria Theresias, Kaiser Karl VI., war ein biederer Deutscher in der Politik; er glaubte, deren Verrechtlichung gewähre Sicherheit und Schutz. Sein General und politischer Ratgeber, Prinz Eugen von Savoyen, warnte ihn vergeblich vor solch deutscher Weltfremdheit. Eine gute Armee und geordnete Finanzen bewahrten, wie er weltklug zu bedenken gab, vor katastrophalen Überraschungen.

Eberhard Straub
Dr. Eberhard Straub ist Historiker und Publizist. Zu seinen Büchern gehören unter anderem „Kaiser Wilhelm II. in der Politik seiner Zeit. Die Erfindung des Reiches aus dem Geist der Moderne“ (2008, Landt Verlag) und „Der Wiener Kongress. Das große Fest und die Neuordnung Europas“ (Klett-Cotta 2014). Zuletzt erschien „Das Drama der Stadt: Die Krise der urbanen Lebensformen“ (Nicolai Verlag, 2015). eberhard-straub.de