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Editorial

Mehr als die Krise einer Partei

Editorial - Mehr als die Krise einer Partei
René Nehring, Chefredakteur © Rotary Magazin

01.09.2016

Die deutsche Sozialdemokratie steckt in einer schweren Krise. Erreichte die SPD bei der Bundestagswahl 2005 noch 34,2 Prozent, so waren es bei den folgenden Wahlen 2009 und 2013 nur noch 23, bzw. 25,7 von Hundert Stimmen. In aktuellen Meinungs­umfragen liegt die Partei bundesweit zumeist eher bei 20 als bei 25 Prozent. Selbst in einstigen Hochburgen auf lokaler und Landesebene kommt sie nur noch selten deutlich über die 30-Prozent-Marke hinaus.

Ein solcher Befund kann und wird manchen politischen Konkurrenten erfreuen. Das ist legitim. Und doch sollte es nachdenklich stimmen, wenn in einer politischen Kraft, die seit mehr als anderthalb Jahrhunderten eine feste Säule der deutschen Demokratie ist, die in besseren Tagen drei Bundeskanzler und in der Weimarer Republik diverse Reichskanzler gestellt hat, ernsthaft darüber nachgedacht wird, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, zur nächsten Bundestagswahl in einem Jahr einen Kanzlerkandidaten zu nominieren.

Die Beiträge ab Seite 32 widmen sich den Ursachen dieser Situation. Dabei fragen sie u.a. nach etwaigen Fehlern der Verantwortlichen der letzten Jahre. Angesichts des Umstandes, dass auch andere Traditionsparteien wie die Union und die Liberalen schwächeln und sich neue politische Kräfte erfolgreich etabliert haben, stellt sich dabei auch die Frage, ob das Schicksal der SPD nicht ein erstes Anzeichen ist für einen dauerhaften grundsätzlichen Umbruch der etablierten Parteienlandschaft.

Vor einem Jahr entschied Bundeskanzlerin Angela Merkel, Kriegsflüchtlinge aus Syrien unbürokratisch in Deutschland aufzunehmen. In der Diskussion über die Folgen dieses umstrittenen Schrittes ist das Schicksal der Flüchtlinge aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit weitestgehend verschwunden. Zahlreiche Rotarier haben sich der Herausforderung gestellt und seitdem spontane und langfristige Hilfe organisiert. Ein besonderes Beispiel für dieses Engagement gibt Lisa Gerlach, die mit ihrem Lebens­gefährten zwei Jugendliche in Pflege nahm. Ihre Geschichte sowie Berichte über weitere rotarische Aktivitäten zur Betreuung der Flüchtlinge lesen Sie ab Seite 16.

In einer Organisation wie Rotary, deren Amtsträger zumeist jährlich wechseln, sind langfristige Projekte eher die Ausnahme als die Regel. Möglich sind sie oftmals nur, weil einzelne Freunde sie zu ihrem ganz persönlichen Anliegen machen. Diverse Beiträge in diesem Heft zeigen, dass „Freunde“ (Seite 12), „Lesen lernen, Leben lernen“ (Seite 14) oder das Rotary-Orchester mit seinem Gründer Lutz Kittelmann (Seite 96) auch nach vielen Jahren immer wieder neue Erfolgsgeschichten schreiben.

Es grüßt Sie herzlichst Ihr