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Drohnen-Debatte

Regelung weiter vorantreiben

In der aktuellen Debatte um Drohnen geht es um die Verkehrssicherheit, Überflugrechte, Zulassung und Kosten des semi-autonomen Kriegsgeräts. Warum jetzt der richtige Zeitpunkt ist, den Einsatz von Drohnen zu regeln.

Constanze Kurz14.06.2013

Die größten ihrer Art sind fliegende Kolosse mit einer Flügelspannweite von mehr als vierzig Metern und übertreffen damit sogar die Ausmaße einer Boeing 747: die unbemannten militärischen Drohnen „Euro Hawk“ und „Global Hawk“ des US-Herstellers Northrop Grumman. Beide Modelle sind aktuell Gegenstand einer heftigen Auseinandersetzung in Politik und Medien über ihre zukünftige Nutzung. Es geht um die Verkehrssicherheit, Überflugrechte, Zulassung und Kosten des semi-autonomen Kriegsgeräts.

Noch zugespitzter sind die Diskussionen momentan, wenn es um Kampfdrohnen geht, die bewaffnet sind. Nachdem von den Vereinigten Staaten hunderte Drohnenschläge in dutzenden Ländern mit mehreren tausend Toten durchgeführt wurden, findet nun eine nachgelagerte Debatte statt. Die nie erklärten Kriege mit ferngesteuerten High-Tech-Waffen, die Tötungslisten und die zivilen Opfer als sogenannte „Kollateralschäden“ rücken mit Macht ins Bewusstsein einer internationalen Öffentlichkeit.

Das weitgehend autonome Fliegen ohne permanente Eingriffe des Steuernden, der problemlos von der anderen Seite der Erde aus operieren kann, ist bereits seit einigen Jahren Realität. Hochentwickelte Sensoren und Satellitennavigation ermöglichen es, in Echtzeit alle Daten über Position, Kurs und Fluglage zu berechnen. Technische Fragen spielen in der Diskussion um die auch mit elektronischen Abhörsystemen bestückten fliegenden Waffen wahrlich keine Nebenrolle. Eine von den Militärs unabhängige wissenschaftliche Technikfolgenabschätzung über die fortgeschrittene Technologie wäre also dringend nötig.

Doch noch im Jahr 2009, als die Bundeswehr längst Einkäufer bei den Drohnenherstellern war, beantwortete die Bundesregierung die Frage danach, welche Institutionen mit der Forschungsauswertung und Technikfolgenabschätzung befasst seien, lapidar mit dem Hinweis, dass außer der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA), die Fragen der Verkehrssicherheit ziviler Drohnen bearbeitet, Erkenntnisse nicht vorlägen: „keine Befassung“. Das dürfte sich nun ändern. Nachdem im Mai dieses Jahres bekannt wurde, dass die Überführung eines „Euro Hawk“ nach Bayern im Sommer 2011 nicht fehlerfrei verlief, der Hersteller die Konstruktionspläne weiterhin geheimhalten und eine Zulassung der Luftfahrtbehörden daher wohl nicht mal über militärischem Sperrgebiet, geschweige denn über bewohntem Gebiet erteilt werden wird, nimmt die Öffentlichkeit die Technologien in den Blick, die in den militärischen Flugsystemen zum Einsatz kommen.

Bekannt wurde gleichzeitig, dass die ausgebildeten Piloten der Bundeswehr das Kriegsgerät gar nicht selbst steuern durften, sondern dass stets ein US-Pilot dem „Euro Hawk“ die Navigationsbefehle sendet.

Während des Fluges hatte der „Euro Hawk“ mehrfach die Satellitenverbindung zur Bodenstation verloren und kam vom Kurs ab, wenn man den Berichten der Presse glauben schenken darf. Ein solcher Ausfall ist vergleichbar mit einem Blindflug: Notfallmaßnahmen wie eine Notlandung oder Manöver, um entgegenkommenden Flugzeugen auszuweichen, können nicht eingeleitet werden, wenn der Kontakt zur Bodenstation ausfällt.

Zweifelhafte Ausbreitung

Am anderen Ende der Drohnenentwicklung, bei zivilen, viel kleineren Fluggeräten, ist der Markt der Anbieter ebenfalls florierend wie nie zuvor. Mini-Drohnen mit vier bis acht Rotoren und Fernsteuerung, meist weniger als neunzig Zentimeter Durchmesser und nur bis zu zwei Kilogramm Gewicht werden heute von dutzenden Herstellern angeboten, obwohl es erst fünf Jahre her ist, dass solche Mikrokopter erschwinglich wurden. Sie sind derzeit häufig für Luftaufnahmen konzipiert, bei denen die Kunden die Perspektive der fliegenden Mini-Roboter benötigen. Längst werden die Kleindrohnen aber auch für unterschiedliche Überwachungszwecke angeboten: Fahrzeuge verfolgen, Grundstücke überblicken, Demonstrationen filmen oder Graffiti-Sprayer fotographieren, wie es die Deutsche Bahn kürzlich ankündigte.

Es kostet nicht mehr viel, die kamerabewehrten Drohnen mit allerhand Sensoren, Kommunikationseinheiten, kleinen Computern oder LED-Leuchten zu bestücken. Sie senden ihre Bilder bei Bedarf live zum Boden. Auch die Vernetzung der handlichen Flugroboter ist mittlerweile weitentwickelt, Formationsflüge kein großes Problem mehr. Lediglich die geringe Flugzeit bis zum notwendigen Nachladen der Akkus setzt noch immer Grenzen. Wenn wir nicht mit einer gesellschaftlichen Diskussion über das Für und Wider kleiner bis riesiger, autonomer oder halb-autonomer Drohnen beginnen, dürften wir von der Macht des Faktischen eingeholt werden.

Die weite Verbreitung ganz unterschiedlicher Drohnentypen – von kleinen privaten Voyeurspielzeugen bis zu tödlichen Allzweckwaffen in den Händen von halbwegs demokratischen bis hin zu diktatorischen Staaten – steht nämlich unmittelbar bevor. Die technischen Innovationen gehen dabei hauptsächlich, aber nicht nur von den militärischen Entwicklungen der Rüstungsindustrie aus. Dass diese Problematik weiterhin nur wenig diskutiert, vor allem aber wenig reguliert wird, sollten wir ändern. Die deutsche „Euro Hawk“-Debatte und die daraus resultierenden Verzögerungen für zukünftige Beschaffungsprojekte bieten in Deutschland die einmalige Gelegenheit, die Regeln und Prozeduren für Drohnen in staatlicher Hand in Ruhe zu diskutieren. Um zu vernünftigen, nicht von feuchten Gadget-Träumen und Doktrin-Denken der Militärs dominierten Vorschriften zu kommen, die gesellschaftlich auch für die Zukunft akzeptabel sind, sollten die technischen Realitäten einbezogen werden. Dazu muss zwingend ein Verbot der vollständigen Autonomie für bewaffnete Systeme gehören, aber auch eine klare Definition, wie der menschliche Einfluss auszusehen hat und wo harte Grenzen für Automatisierung und Autonomie sind, die auch bei weiterer Technologieentwicklung nicht überschritten werden dürfen.

Diskussion über die Regeln

Zukünftig ebenso bedeutsam ist ein klares Verbot des klandestinen Einsatzes von Drohnen aller Art. Verpflichtende Identifikatoren an allen Drohnentypen, egal ob zivil oder militärisch, die eindeutige Rückschlüsse auf Eigentümer und Mission erlauben, sowie Blackbox-Recorder, die jeden Einsatz dokumentieren, können eine wirksame Abschreckung vor Missbrauch sein. Schließlich helfen die technische Weiterentwicklung und die fallenden Kosten bei Speichern, Prozessoren und Regelungstechnik nicht nur bei der Vermarktung der Flugroboter, sondern auch bei deren Erkennung und Kennzeichnung. Drohnen, die ohne solche digitalen Nummernschilder unterwegs sind, können ohne weitere Fragen vom Himmel geholt werden – es kommt ja kein Mensch zu Schaden.

US-Präsident Barack Obama hat jüngst angekündigt, dem Geheimdienst CIA das amerikanische Drohnenprogramm aus der Hand zu nehmen. Deutschland sollte entsprechend von den negativen Erfahrungen der USA lernen und keinesfalls bewaffnete Drohnen in die Hände von Geheimdiensten oder de facto unkontrollierbaren Truppenteilen wie dem Kommando Spezialkräfte (KSK) geben. Es sollte sich außerdem nachdrücklich für internationale Abkommen zur Beschränkung der Drohnenrüstung und zum Verbot bestimmter Einsatzdoktrinen starkmachen. Vor allem sogenannte „signature strikes“, bei denen Angriffe auf Menschen erfolgen aufgrund bestimmter Bewegungs- und Verhaltensmuster, die von Algorithmen und Erkennungssystemen analysiert und gemeldet werden, sind ebenso so zu verbieten.

Auch wenn Skeptiker sofort kundtun, solche Abkommen seien von vorneherein aussichtslos: Es gibt tatsächlich gute Gegenbeispiele, wo durch solche Regelungen ein schrankenloses Wettrüsten und die Einführung von inhumanen Waffensystemen verhindert wurden. Die internationale Ächtung von Laserwaffen zum Blenden und mit dem Ziel der Erblindung von Gegnern ist ein solches Beispiel, wo entgegen aller vorherigen Annahmen auch China, Russland, die USA und andere Staaten, die sonst keine großen Freunde von Rüstungsbeschränkungen sind, mitgezogen haben.

Constanze Kurz
Constanze Kurz ist Informatikerin, Sachbuchautorin und Sprecherin des Chaos Computer Clubs. Bis September 2014 war sie als wissenschaftliche Projektleiterin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin tätig, seit Februar 2015 ist sie in Teilzeit Mitglied der Redaktion von Netzpolitik.org. Zu ihren Büchern gehören u.a. „Die Datenfresser. Wie Internetfirmen und Staat sich unsere persönlichen Daten einverleiben – und wie wir die Kontrolle darüber zurückerlangen“ (S. Fischer 2011) und „Arbeitsfrei. Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen“, (Riemann Verlag, 2013).