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Tichys Denkanstoss

Steuern – da geht noch was

Tichys Denkanstoss  - Steuern – da geht noch was
Roland Tichy © Illustration: Jessine Hein / Illustratoren

01.09.2016

Zahlen wir nach der Bundestagswahl weniger Steuern? Die Antwort steht schon fest – wir werden mehr zahlen. Offen ist nur, wie viel mehr. Von den erwarteten Steuermehreinnahmen der kommenden vier Jahre will der CDU-Mittelstandschef Carsten Linnemann immerhin zwei Drittel an uns Steuerzahler zurückgeben; zur Glättung des „Mittelstandsbauchs“, für Familien und Geringverdiener. Das heißt: Einige würden entlastet, aber insgesamt gäbe es ein höheres Steueraufkommen – es würde nur langsamer steigen als ohne Reform. Wir zahlen also nur weniger mehr.

Finanzierbar wäre es. Der Staat schwimmt im Geld; diesen frivolen Satz muss man so in aller Deutlichkeit hinschreiben: 190 Milliarden an Steuern hat der Bundesfinanzminister 2005 eingenommen. Heuer sollen es fast 300 Milliarden sein. Ein Plus von fast 110 Milliarden, und das trotz der berüchtigten Finanzkrise – da geht doch was, oder? Und es soll ja so weitergehen. Die Steuerschätzer sagen bis zum Ende dieses Jahrzehnts, das ist schon in knapp vier Jahren, noch einmal 40 bis 50 Milliarden zusätzliche Steuereinnahmen voraus.

Milliarden Euro vertröpfeln
Aber wo sind sie geblieben, die Steuermilliarden? Gut, die laufende Staatsverschuldung ist auf null gesunken. Aber dafür spart Wolfgang Schäuble wegen der Null-Zinsen etwa 30 Milliarden; auch hier sinkt die Belastung weiter. Mehrausgaben? Hier ein paar Milliarden (3,5) für Beamte, dort für Straßen und Brücken (5,8); der Großteil für Soziales (+25). 110 Milliarden vertröpfeln in vielerlei Einzelposten, die sich der unmittelbaren kritischen Betrachtung entziehen.

Steuerentscheidungen sind immer auch Wertentscheidungen – nicht nur bei den Ausgaben, wenn Projekte materialisiert werden. Auch auf der Einnahmeseite: Wie viel vom Erwirtschafteten bleibt bei den Erwirtschaftern, wie viel geht an den Staat?

In Deutschland sind es übrigens derzeit rund 53 Cent von jedem Euro, die beim Staat landen. Das Bundesverfassungsgericht betrachtet eine Abgabe von 60 Prozent noch als hinnehmbar; einzelne Gruppen, wie etwa Ledige mit einem Jahreseinkommen ab 60.000 Euro, liegen da schon darüber. Zieht man alle vom Staat verursachten steuerähnlichen Abgaben heran wie die 25 Milliarden für Erneuerbare Energien, für die öffentlichen Rundfunkanstalten und mehrere Dutzend kleinere, versteckte Posten, dann ist die Belastung ohnehin noch höher.
Trotzdem wettern SPD, Grüne und Linke: Kein Geld da vom neuen Mehr der Steuer­­ein­nahmen, es fehle die „Gegenfinanzierung“. Gründe für höhere Steuern lassen sich immer finden. Aber es sollte doch gelten: Von dem, was mehr erwirtschaftet wird, soll der Staat schon was kriegen – aber nicht alles. Zwei Drittel an uns, ein zusätzliches Drittel an den Staat, die Linnemann-Regel. Übrigens: Die letzte wirkliche Steuerre­form war von Hans Eichel, SPD, im fernen Jahr 2000.