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Peters Lebensart

Echte Pizza

Peters Lebensart - Echte Pizza
Alte Pizzeria mit modernem Konzept: Zubereitung in Sichtweite der Kundschaft

Die Kunst der neapolitanischen Pizzabäcker ist ins immaterielle UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen worden

Peter Peter01.02.2018

Am 8. Dezember 2017 war ganz Neapel aus dem Häuschen. Nicht wegen Mariä Empfängnis, sondern wegen einer anderen Signora, die inbrünstig verehrt wird: La Pizza. Wenige Stunden zuvor war bekannt geworden, dass die „Kunst der neapolitanischen Pizzabäcker“ ins immaterielle UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Ein kleiner, später Triumph des lokalen Handwerks über die globale Lebensmittelindustrie mit ihren tiefgefrorenen Scheiben. Den Ausschlag gab übrigens die typische lebendige und witzige Interaktion, die in den winzigen Altstadtpizzerien mit ihren riesigen gemauerten Öfen zwischen Gästen und verschwitzten Pizzaioli herrscht, die während des akrobatischen Teigschleuderns schon mal im Dialekt eine Canzone trällern.

Schon lange hatte es die Neapolitaner gewurmt, dass sie zwar die Pizza erfunden hatten, aber die Amerikaner die Schachtel, um sie einzupacken und erfolgreich zu vermarkten. Die Erfolgsstory dieser Königin des Fast Foods setzt im Spätbarock ein, als die aus allen Nähten platzende Kapitale des Südens ein billiges Volksessen erfand. Weizen kam reichlich aus Apulien, doch entscheidend war die Backkunst des richtigen Moments und ein neues, preisgünstiges Aroma: Tomaten. Ende des 18. Jahrhunderts werden in Kampanien erstmals süß schmeckende Sorten in großem Stil gezogen. Mozzarella hingegen ist nach Auskunft der echten Altstadt-Pizzaioli ein modischer Luxus-Hype, aber eigentlich ungeeignet, weil zu feucht. Traditionell nimmt man trockeneren Fiordilatte-Käse. Kaum einer wollte die Pizza außerhalb Neapels. „Es gehört der Magen eines ,lazzarone‘ (Stadtstreichers) dazu, sie zu verdauen“, notierte 1853 der italienverliebte Ostpreuße Ferdinand Gregorovius. Das änderte sich erst mit der „emigrazione“ Richtung Amerika. In Little Italy entstehen um 1890 erste Kohleofen-Pizzerias.

Gangsterfilme der 1930er spielen gern in schummrigen New Yorker Pizza-Kneipen, ein Ohrwurm der 1940er himmelt „Angelina the waitress at the pizzeria“ an. Das taten auch die amerikanischen GIs, die mit fränkischen Frauleinwunders 1952 in der Blauen Grotte in Würzburg Händchen hielten. Was war geschehen? Die Besatzer hatten einen italienischen Garnisonskoch nach Pizza gefragt. Nicolo di Camillo kannte als Abruzzese die neapolitanische Pizza nicht, war aber flexibel genug, Deutschlands erste Pizzeria mit einer Nachbildung der Grotta Azzurra im Keller zu eröffnen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir bundesdeutschen Nachkriegstouristen die Pizza schließlich auch nach Rimini und Norditalien eingeführt haben.

Heute gibt’s Pizza überall, nur in Italien selbst betonen viele Lokale, dass sie nur abends, wenn der Holzofen eingeheizt wird, erhältlich ist. Ist Trüffelpizza, Pizza Hawaii, Pizza bavarese mit Leberkäse Unsitte oder unvermeidlicher Spieltrieb der Globalisierung? Übrigens: Italienische Ragazzi mögen „Pizza con wurstel e patate“, neapolitanische allerdings eher nicht.

Mein Tipp: Sollte es Sie in die quirlige Vesuvmetropole verschlagen, reisen Sie nicht wie so viele Touristen sofort weiter nach Ischia oder Capri, sondern wagen sie sich ins Gehupe und Getümmel des Centro storico. Stehen Sie ab acht Uhr früh Schlange vor der Pizzeria Michele, die seit 1870 nur Marinara mit Tomate und Sardellen und Margherita in den Farben der Trikolore bäckt: grünes Basilikum, Weißkäse, rote Pomodori. Weich, und doch knusprig mit Brandbläschen. Und noch ein Tipp für den Pizza-Knigge: Zur Pizza trinkt man Bier, nur Bier! Ein Erbe der Armut, denn für Wein musste man eine teure Lizenz bezahlen, Bierflaschen konnte man einfach über die Gasse holen.

Peter Peter

Peter Peter ist deutscher Journalist und Autor für die Themen Kulinarik und Reise. Er lehrt Gastrosophie an der Universität Salzburg und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Kulinaristik. Außerdem schreibt er als Restaurantkritiker der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ und ist Autor einiger ausgezeichneter Kulturgeschichten der europäischen Küche. Im Rotary Magazin thematisiert er jeden Monat Trends rund um gutes Essen und feine Küche.

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