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Rotary Entscheider

Für den Dienst an der Sache

Rotary Entscheider - Für den Dienst an der Sache
Gut gelaunt und „beflügelt“ – als Intendant des Klavier-Festival Ruhr steckt Franz Xaver Ohnesorg voller Ideen © Peter Wieler

Er ist einer der vielseitigsten Manager und Kulturvernetzer der deutschen Musiklandschaft: Franz Xaver Ohnesorg, Intendant des Klavier-Festival Ruhr.

01.04.2018

Die Fliege und die amerikanische Panto-Brille sind sein Markenzeichen. Wer deshalb glaubt, er sei ein Intendant mit Extravaganzen, irrt allerdings. Auch ohne sein gewinnendes Lächeln sieht man ihn selten. Franz Xaver Ohnesorg zählt zu den vielseitigsten Managern, Intendanten und Kulturvernetzern in der deutschen Musiklandschaft. 2018 feiert das internationale Klavier-Festival Ruhr unter seiner Federführung sein 30-jähriges Jubiläum, er selber begeht seinen 70. Geburtstag und sein 40-jähriges Jubiläum als Intendant.

Mit dem Herzen Wahl-Kölner, gebürtig ein Oberbayer, haben Sie die Kultur-Geschicke des Ruhrgebietes ganz maßgeblich gestaltet. Gehen wir erst einmal zurück in Ihre Kindheit und Jugend. Was hat Sie geprägt?
Zu allererst meine Eltern. Sie waren unglaublich großzügige Menschen, die mir immer die Freiheit gegeben haben, eigene Entscheidungen zu treffen. Die zweite wichtige Prägung erfuhr ich durch meinen Lehrer Albert Müller, der damals Flötist bei den Münchner Philharmonikern war. Er öffnete mir den Weg in die Welt der klassischen Musik, legte den Grundstein für meine Liebe zur Kammermusik und auch zum Klavier. Er lebt hochbetagt mit 91 am Ammersee.

Unser Kontakt ist nie abgebrochen. Eine Laufbahn als Flötist schien mir dennoch nicht erstrebenswert, denn ich wäre immer im Schatten meiner Idole Aurel Nicolet oder Paul Meisen geblieben. Und so dominierte dann doch das Kaufmännische in mir – schließlich hatte ich schon als Zwölfjähriger von meiner Mutter Buchführung in der elterlichen Bäckerei gelernt. Ich studierte an der Münchner Universität Betriebswirtschaftslehre und belegte im Studium Generale Musik- und Theaterwissenschaften und mein besonderes Steckenpferd Kunstgeschichte.

Wer sich mit Ihrer Biographie beschäftigt, dem fällt vor allem eines auf: Sie sind immer wieder bereit, selbst Spitzenpositionen, die andere – salopp gesagt – mit Zähnen und Klauen verteidigen würde, loszulassen. Warum?
Ich bin sicher sehr konsequent in der Verfolgung einmal gesetzter Ziele. Wenn ich erkenne, dass diese nicht mehr erreichbar sind, bin ich bereit, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Für mich ist das Ziel im Dienst der Sache immer das höhere Gut, nicht das eigene Ego. Als ich als junger Orchesterdirektor für die verwaisten Münchner Philharmoniker Sergiu Celibidache als neuen Generalmusikdirektor gewinnen konnte und es nach zwei Spielzeiten wegen des Engagements eines Dirigenten aus der Zeit vor Celibidaches Ernennung zum Konflikt kam, habe ich meinen Amtsverzicht erklärt, weil ich eben davon überzeugt war, dass er der richtige Chef für die Münchner Philharmoniker ist und so blieb ich ihm auch nach der Trennung treu.

Als er später dann seinen Irrtum einsah, gab Celi in der Kölner Philharmonie so viele Konzerte, wie nirgendwo sonst außerhalb Münchens. Auch später in Berlin als Intendant der Berliner Philharmoniker hat sich für mich die Frage nach einer konsequenten Entscheidung gestellt. Nachdem ich die Kernaufgabe, die Errichtung und vor allem auch die Finanzierung der Stiftung der Berliner Philharmoniker auf den Weg bringen konnte, hat es sich für mich am besten angefühlt, wieder ins Rheinland zurückzukehren, etwas Neues zu beginnen. 

Die Kölner Philharmonie wurde zu einem der Monolithen in Ihrem Leben. Wie erklärt sich der durchaus modellhafte damalige Erfolg?
Einen Konzertsaal wirklich von Null aufbauen zu können, von der Organisation, vom künstlerischen Profil her, das war eine enorme Chance. Wir waren 1986 nach der Alten Oper in Frankfurt das erste deutsche Konzerthaus, das mit modernen Marketingmethoden gearbeitet hat und entwickelten mit KölnTicket das erste dezentrale Online-Ticketing-System – heute eine Selbstverständlichkeit.

Doch ohne die Unterstützung durch den WDR, vor allem durch den damaligen Intendanten Friedrich Nowottny, hätte ich das nicht schaffen können, denn Nowottny war es auch, der mich gegenüber der Kommunalpolitik „beschützte“. Als Intendant gerät man ja rasch in die politische Schusslinie. Unser Kölner Publikum war sehr offen und hat sich für die neue Angebotvielfalt begeistern lassen, auch bei Musik des 20. Jahrhunderts bei der Musik-Triennale Köln. Es war eine großartige, gemeinsame Entdeckungsreise!

Auch den meisterhaften Nachwuchs nimmt Franz Xaver Ohnesorg an die Hand, hier die georgische Pianistin Khatia Buniatishvili © Peter Wieler

Vom Rhein ging es an den Hudson River an die legendäre Carnegie Hall in New York. Sicher kein Zufall?
Schon Ende der achtziger Jahre hatte ich in Jerusalem Isaac Stern kennen gelernt, und irgendwie mochten wir uns beide von Anfang an. Empathie ist ja oft ein Entscheidungsbeschleuniger. Er hatte früh den Wunsch, mich an die Carnegie Hall zu locken. Doch ich hatte für Köln noch viele Pläne und nicht zuletzt hatte meine Frau ihr zweites juristisches Staatsexamen noch vor sich. Als jedoch meine schwer erkrankte Vorgängerin verstarb, sagte ich bei Issac Stern's drittem Anlauf doch zu.

Auch meine Bewunderung für die amerikanische Philanthropie war da ein Motiv. Im Frühjahr 2001 wurde ziemlich überraschend mein Freund Christoph Stölzl zum Berliner Kultursenator ernannt. An seinem ersten Amtstag rief dieser mir am Telefon folgenden Satz zu: „Ich brauche Dich hier in Berlin!“. Da kam ich in die Zwickmühle, denn zudem hatte sich meine Frau mit unserem New Yorker Leben nicht recht anfreunden können. Also bat ich mein Excecutive Board, mich aus meinem gerade erst abgeschlossenen 5-Jahres- Vertrag zu entlassen. Wir gingen zurück und meine Frau wurde Staatsanwältin.

Im Programm des Klavier-Festival Ruhr findet sich das Who-is-Who der internationalen Pianistenszene. Wie konnte sich das Festival zum weltweit Größten seiner Art entwickeln?
Es handelt sich ja um das kulturelle Leitprojekt des Initiativkreises Ruhr, den Alfred Herrhausen, Rudolf von Bennigsen-Foerder und der Ruhrbischof Franz Hengsbach mitten in der Kohle- und Stahlkrise des Jahres 1988 ins Leben riefen. Herrhausens Idee war es, den notwendigen Wandel des Ruhrgebiets auch durch einen kulturellen Leuchtturm zu fördern.

So kam es zur Gründung des überregionalen Klavier-Festivals Ruhr, das aus dem lokalen Bochumer Klaviersommer hervorging. Als das Festival 1995 in eine etwas missliche Lage geriet, wurde ich eingeladen, Verantwortung zu übernehmen – zunächst als Künstlerischer Leiter. Ab 2005 übertrug mir der Initiativkreis Ruhr dann als Intendant die Gesamtverantwortung. Von nun an konnten wir Umsatz, Ticketing, Sponsoring deutlich verstärken, das systematische Fundraising einführen, um so neben dem künstlerischen eben auch den wirtschaftlichen Erfolg zu stabilisieren.

Wie lautet heute Ihr Credo für das Ruhrgebiet?
Konzerte mit den weltbesten Künstlern auf den Weg bringen zu können – für ein Publikum, das den Wert dieser Konzerte zu schätzen weiß – halte ich für ein großes Privileg. Uns allen sollte das eine innere Verpflichtung sein, gerade auch Kindern und Jugendlichen am unteren Rand der Gesellschaft den Zugang zur Musik zu ermöglichen. Beim KlavierFestival Ruhr sehen wir diese Chance vor allem bei unserer „Education-Arbeit“ zum Beispiel in Duisburg-Marxloh.

Dort haben wir vor zehn Jahren mit Workshops in der 4. Klasse einer Grundschule begonnen. Inzwischen sind wir in sämtlichen fünf Schulen dieses Stadtteils aktiv und im Süden Duisburgs zudem in der Buchholzer Waldschule, einer Förderschule für geistige Entwicklung. Dabei geht es uns vor allem um Inklusion und Integration. Insbesondere die Integration für Kinder aus Zuwanderer- und Flüchtlingsfamilien ist in Marxloh eine enorme Herausforderung für die Lehrer. Denn diese Kinder haben nie einen Kindergarten von innen gesehen und sprechen oft – wie auch ihre Eltern – kein Wort Deutsch.

Hier können wir mit unserem durch den Briten Richard McNicol geprägten Ansatz durch Musik kommunizieren und damit vor allem den Spracherwerb fördern. Im nördlichen Ruhrgebiet sind wir zudem in 19 Kindergärten mit unserer „Little Piano School“ aktiv. Dabei handelt es sich um eine von Kim Monica Wright entwickelte Methode, bei der wir Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren spielerisch ans Klavier und die Musik heranführen. In Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität haben wir diesen Ansatz zum „KlavierGarten“ weiterentwickelt. Für inzwischen 16 von uns ausgebildete Lehrerinnen ist diese Methode zum Beruf geworden.

Im März feierten Sie 70. Geburtstag. Stellt sich womöglich eine gewissen „Abgeklärtheit“ ein?
Wer Verantwortung trägt, muss auch rechtzeitig an die Nachfolge denken. Meine Grundidee ist natürlich, die finanzielle Basis des Klavier-Festival Ruhr weiter zu stabilisieren. Deshalb freue ich mich, dass ich meinen Geburtstag ganz in den Dienst des Klavier-Festivals stellen konnte, weil uns an diesem Tag 20 mit uns freundschaftlich verbundene Künstler in der Historischen Stadthalle in Wuppertal ein ganz und gar einmaliges Benefizkonzert geschenkt haben.

Apropos Freundschaft: Seit wann sind Sie Rotarier?
Ich hatte das große Glück, schon als junger Intendant in den Club Köln-Hahnentor eingeladen zu werden. Meine dortigen Freunde haben meine beruflichen Stationen mit großem Wohlwollen und vor allem auch mit großem Verständnis für meine oft mäßigen Präsenzen begleitet. Diese langjährigen Verbindungen möchte ich nicht missen.

Woraus schöpfen Sie Energie für Ihre aufreibende Arbeit?
Ich kann Gott sei Dank gut schlafen und erhole mich unglaublich gut, wenn ich Musik höre. Und vor allem ist da meine Familie. Wer in meinem Alter noch eine zehnjährige Tochter zu Hause hat, ist mit großem Glück beschenkt. Wenn dann unser bereits im Studium stehender Sohn das Familienkleeblatt ergänzt, bin ich ein rundherum froher Mensch.

Das Gespräch führte Dorothe Gschnaidner.


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