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Amerika und wir

Liebe Leserin, lieber Leser,

16.01.2014

stecken die deutsch-amerikanischen Beziehungen in einer ernsthaften Krise? Die im vergangenen Herbst durch die Enthüllungen des NSA-Agenten Edward Snowden bekannt gewordene umfassende Überwachung des Internets sowie der Lauschangriff auf Bundeskanzlerin Angela Merkel durch US-Geheimdienste haben das Vertrauen der Deutschen in die Vereinigten Staaten massiv gestört. Doch auch schon vorher diagnostizierten Beobachter eine schleichende Abkühlung im transatlantischen Verhältnis. Das sichtbarste Zeichen war das deutsche Nein zum Irak-Krieg im Jahre 2002, nach dem sich Bundeskanzler Gerhard Schröder und US-Präsident George Bush kaum noch etwas zu sagen hatten. Auch die Nachfolger-Paare Bush-Merkel und Merkel-Obama fanden nie so zueinander wie ihre Amtsvorgänger.
Wie tief ist die Entfremdung zwischen uns und Amerika? Kühlen sich die besonderen Beziehungen, die lange zur inoffiziellen Staatsräson der Bundesrepublik gehörten und oftmals mit dem Wort Freundschaft beschrieben wurden, dauerhaft ab? Auch wenn die Snowden-Affäre etwas aus den Schlagzeilen geraten ist, lohnt es sich doch, aufgrund der Tragweite dieses Themas vertiefter darüber nachzudenken. Die Beiträge im Titelthema dieser Ausgabe fragen deshalb, wie es um das Verhältnis zur USA tatsächlich steht – und welches Interesse wir immer noch daran haben (ab Seite 26).

In wenigen Tagen findet in Kleve der Rotary-Tag 2014 statt. Was als eine kleine Tagung der Governor-Crew 2007/2008 begann, die sich auch nach ihrer Amtszeit rotarischen Themen widmen wollte, ist inzwischen eine Veranstaltung mit bundesweiter Strahlkraft geworden. Zum diesjährigen fünften Mal haben sich die Organisatoren ein Thema gesetzt, mit dem sie zu den Wurzeln zurückkehren – Ethik und ethisches Handeln im Berufsleben.

Zwar ist dieses Thema ein Kernanliegen Rotarys von Beginn an, doch finden sich in den Medienberichten über Skandale im Wirtschaftsleben leider gelegentlich auch Rotarier. Hohe ethische Ansprüche zu haben bedeutet eben nicht, dass jede/r diese automatisch erfüllt, nur weil er/sie Mitglied dieser Organisation ist. Aus Anlass des Rotary-Tags befasst sich deshalb ein Beitrag von Josef Wieland in der Rubrik „Im Fokus“ mit dem Thema Rotary als Wertegemeinschaft und der Aktualität einer der wichtigsten rotarischen Gründungsideen – der Verbindung von Freundschaft und Anstand im Berufsleben (ab Seite 14).

Ein großes Thema des Jahres 2014 ist der 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs: Schon jetzt sind zahlreiche Bücher und Artikel dazu erschienen. Doch anders als vor zehn oder zwanzig Jahren hat dieses Jubiläum nicht nur eine retrospektive, sondern eine höchst aktuelle Bedeutung. Wie vor einhundert Jahren kriselt es in der europäischen Politik, obwohl Jahrzehnte des Friedens und des Wohlstands hinter den meisten Völkern des Kontinents liegen. Natürlich ist die Lage von 2014 nicht identisch mit der von 1914; allein die Tatsache, dass die meisten europäischen Nationen heute Mitglieder der NATO und der EU sind, macht einen fundamentalen Unterschied aus. Und doch lohnt ein genauerer Blick auf die Konstellation vor einhundert Jahren (ab Seite 48).