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Andrea Lühmann, RC Chicago

Präsidentin im Ur-Club

Andrea Lühmann wurde 1952 in Cuxhaven geboren. 1981 zog sie nach Chicago. Heute steht sie als Präsidentin dem ersten Rotary Club der Welt vor und engagiert sich für die Paul and Jean Harris Home Foundation.

Matthias Schütt12.09.2012

Rotary und Segeln, das gehört für Andrea Lühmann seit ihrer Kindheit zusammen. In den Sommerferien gab es nichts Schöneres als die Segeltörns mit ihrer Familie auf der Ostsee bis nach Dänemark, wo Vater Ferdinand Lühmann (Rotary Club Cuxhaven) immer Häfen möglichst mit Rotary Clubs ansteuerte.

Wo immer Andrea in ihrem Leben vor Anker gehen sollte, ein Segelboot musste in der Nähe sein. Etwa in Hamburg, wo sie sich nach dem Abitur erst als Banklehrling und anschließend als Studentin der Betriebswirtschaftslehre niederließ. Ein Praktikum, da hatte sie ganz genaue Vorstellungen, würde sie in Vancouver in Kanada suchen, „weil man dort morgens segeln und abends Ski laufen kann“.

Es wurde nicht Vancouver, sondern amerikanisches Binnenland, wenn auch mit günstigen Aussichten für das geliebte Hobby. Den Sinneswandel bewirkte 1979 ein Gast des Rotary Studiengruppenaustauschs (GSE) aus den USA, ein Banker, der von den kanadischen Plänen der angehenden Diplom-Kauffrau erfuhr, ihr aber Rockford schmackhaft machte. Das liegt kaum zwei Autostunden von Chicago entfernt, und dort lockt bekanntlich der Michigansee.

Der Stempel auf dem Uni-Diplom war kaum trocken, da saß die junge Frau bereits in Rockford bei den Wirtschaftsprüfern von Coopers & Lybrand (heute PricewaterhouseCoopers), die auch in Hamburg eine Niederlassung unterhielten. Ein paar Monate später bot sich die Gelegenheit zum Wechsel innerhalb der Firma nach Chicago. Schnell erkannte sie den Bedarf mittelständischer deutscher Unternehmen an zielgerichteter Beratung und gründete 1986 dort ihre eigene Firma. Seither kümmert sie sich mit zwölf Mitarbeitern vor allem um die steuerlichen und buchhalterischen Angelegenheiten der US-Tochtergesellschaften von deutschen und österreichischen Firmen.

1986 wurde noch aus einem anderen Grund zum wegweisenden Jahr: „Im Wall Street Journal stieß ich auf einen Artikel, dass in absehbarer Zeit Frauen bei Rotary zugelassen würden. Urplötzlich war Rotary wieder aktuell für mich“, erzählt Lühmann. Da sie eine Bürogemeinschaft mit einem deutschen Rechtsanwalt betrieb, der Mitglied im Rotary Club Chicago war, ergab sich der Kontakt von selbst. 1988 – noch vor der offiziellen Änderung der Rotary-Statuten – wurde sie Mitglied im altehrwürdigen Club No.?1 (ROTARY/One).

„Damals waren wir fünf Frauen“, erinnert sie sich, „heute sind wir etwa 30 bei derzeit 150 Mitgliedern.“ Nach mehreren Jahren als Schatzmeister folgte vor zwei Jahren als Krönung die Präsidentschaft im Paul-Harris-Club. Nebenbei hat sie über die Jahre weitere sechs Deutsche in den Club gebracht, darunter Thyra Zerhusen, die als eine der weltbesten Fondsmanager gilt.

Ein Projekt, für das sich Lühmann über die Jahre sehr engagiert hat, heißt „Job 1“: Der Club vermittelt Gymnasiasten aus sozial schwachen Familien einen bezahlten Sommerjob, damit sie erste Erfahrungen im Berufsleben sammeln. Ihr Verständnis von Rotary kreist mit einem Wort um „Hands-on“. Umgesetzt hat sie das zum Beispiel auf Haiti, wo sie mit mehreren Clubfreunden und ihrer Tochter im Januar 2012 ein einfaches Einfamilienhaus aufbaute sowie zwei Wasserpumpen in einer Gemeinde installierte.

Noch ein Rotary-Thema liegt ihr am Herzen. Lühmann kümmert sich in der Paul and Jean Harris Home Foundation um den Erhalt des Wohnhauses des Rotary-Gründers. Das Anwesen „Comely Bank“ ist über 100 Jahre alt und wurde nach Harris’ Tod 1947 verkauft. Im Jubiläumsjahr 2005 kaufte es die Harris Foundation aus Privatbesitz zurück und steht jetzt vor einer grundlegenden Sanierung: „Wir brauchen drei Millionen Dollar“, sagt Lühmann, „aber erhalten dafür ein Schmuckstück, das vielfältig genutzt werden kann: als Museum, Archiv und Rotary-Treffpunkt in der Stadt, in der alles begann.“
Matthias Schütt

Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.