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Standpunkt

End Polio Now - Schaffen wir das?

Standpunkt - End Polio Now - Schaffen wir das?
Hans Pfarr ist „End Polio Now“-Koordinator für die Rotary Clubs in Deutschland © Sascha Westphal

Der Kampf gegen Polio ist erfolgreich, doch besiegt ist die Krankheit noch nicht. Damit das gelingt, müssen wir uns auch im Schlussspurt noch einmal voll engagieren.

Hans Pfarr01.09.2016

Auf der Weltkonferenz 1987 in München waren wohl alle davon überzeugt, das gesetzte Ziel zu erreichen: eine Welt ohne Kinderlähmung. Das hatten wir den Kindern versprochen. Es fing auch vielversprechend an. Das gesetzte Spendenziel – weltweit 240 Millionen Dollar – wurde übertroffen. Die Erfolge stellten sich ein. Waren es damals noch 125 polioendemische Länder mit jährlich 330.000 Krankheitsfällen, gingen diese Zahlen in den folgenden Jahren deutlich zurück. Bald schon konzentrierte sich der Einsatz im Kampf gegen die Kinderlähmung auf Afrika und den indischen Subkontinent. Die Schwierigkeiten wuchsen, der Fortschritt kam ins Stocken. Doch dann wurde im Jahr 2012 Indien mit seinen 1,2 Milliarden Einwohnern von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als poliofrei zertifiziert. Ein ungeheurer Erfolg.

Übrig sind bis heute Afghanistan und Pakistan. In Nigeria konnte man in diesen Tagen zwar das zweite Jahr ohne neuen Poliofall feiern, aber leider sind inzwischen zwei neue Fälle von Kinderlähmung registriert worden.

Auch unsere Mitbürger in Deutschland sollten die Gefahr eingeschleppter Polioviren nicht unterschätzen. Auch darauf kommt es Rotary an. Sie müssen darauf achten, ihren eigenen Impfschutz gegen Kinderlähmung aufzufrischen. Denn das nächste Poliovirus lauert nur eine Flugreise entfernt.

Das ist noch immer- auch in Deutschland – von großer Bedeutung, vor allem auch für die älteren Menschen, die ihren Impfschutz nach zehn Jahren nicht auffrischen ließen.

Weitere Zwischenziele haben wir uns nicht mehr gesetzt. Jetzt geht es ums Ganze. Die Erfolge in den drei letzten Ländern sind Monat für Monat ablesbar.

Derzeit wurden dort nur noch 19 neue Fälle insgesamt registriert. Doch noch immer droht die Gefahr eingeschleppter Viren. Anlass zu Optimismus? Ja, den gibt es durchaus. Auch wenn kritische Stimmen unser Ziel für unerreichbar hielten.

Immer wieder kommen ernstzunehmende Zweifel auf. Festgemacht werden diese an dem Wort „eradication“, zu deutsch: Ausrottung. Das Poliovirus könne man nicht ausrotten, so sagen Kritiker. Die Zweifel entzünden sich an dem Begriff „polioeradication“, den Rotary International immer wieder verwendet. Sind diese Argumente denn überhaupt richtig? Was ist mit dem Ausdruck „eradication“ eigentlich gemeint? Wofür steht er? Schon lange stimmen Rotary und die WHO darin überein, dass es um die Unterbrechung der Ansteckungskette und die nach drei poliofreien Jahren erfolgende Zertifizierung als poliofrei geht. Das ist übereinstimmend unter dem Wort „eradication“ zu verstehen. So wurde es festgelegt, und das gilt bis heute. Danach, also nach der Zertifizierung durch die WHO, ist und bleibt jeder Staat für eine hohe Durchimpfungsrate selbst verantwortlich.

Jetzt zeigt sich aber am Beispiel Nigeria wie wichtig und wie kostenintensiv eine hohe Durchimpfungsrate ist. Nicht erst nach dem dritten Jahr, nein, sofort nach der erstmaligen Unterbrechung der Ansteckungskette muss mit größtem Nachdruck die Durchimpfungsrate nach oben getrieben werden. Geschieht dies nicht, haben die restlichen Viren ein allzu leichtes Spiel. Sie treffen auf ein ungeimpftes Opfer, und schon läuft die Ansteckungskette wieder an. Wer das in Kauf nimmt, der hat den Kampf gegen Polio schon verloren.

Wir aber haben schon 99,9 Prozent unserer Aufgabe gelöst. Nigeria war zwar zwei Jahre lang ohne Poliofall, aber leider wurden in diesen Tagen im Norden des afrikanischen Landes zwei neue Poliofälle registriert. Gerade im muslimischen Norden, der von den fundamentalistischen Truppen der Boko Haram terrorisiert wird, muss allen Widrigkeiten zum Trotz nachhaltig weitergeimpft werden, um den Erfolg abzusichern. Da reicht es nicht, sich nur auf die Kinder zu konzentrieren.

Dass das letzte Stück am schwierigsten sein würde, wurde oft schon betont. Jetzt beweist sich die Bedeutung dieser Aussage. Wir stehen vor einer überaus großen Herausforderung. Während viele Rotarier glauben, sich anderen Aufgaben zuwenden zu können, müssen wir in Wirklichkeit unsere Anstrengungen im Kampf gegen Polio sogar noch steigern.

Wir haben im rotarischen Jahr 2015/16 bewiesen, dass wir dies können. Wir haben mehr als 35 Millionen Dollar an Spenden gesammelt und bekamen von der amerikanischen Bill und Melinda Gates-Stiftung noch 70 Millionen Dollar dazu. Diese Stiftung, eingerichtet von dem Microsoft-Mitgründer und seiner Frau, unterstützt uns auch weiter mit 200 Prozent Zuschlag auf jeden Spendendollar für PolioPlus.

Jetzt jeden Club bis zum Jahr 2018 um eine jährliche Spende von mindestens 2650 Dollar zu bitten fällt angesichts der über viele Jahre anhaltenden Spendenbereitschaft nicht leicht. Aber es ist notwendig. Und ich bin auch davon überzeugt, es ist zumutbar, und wir können dieser Herausforderung gerecht werden. Möglicherweise wird dadurch ein Projekt vor Ort nach hinten verschoben werden. Ist dies aber in Anbetracht dessen, was auf dem Spiel steht, nicht verständlich und gerechtfertigt?

Wir müssen in Nigeria den Kampf gegen Polio trotz des Rückschlags mit allem Nachdruck
weiterführen, denn mit Nigeria wird der ganze afrikanische Kontinent poliofrei. Auch dürfen wir unsere Freunde in Pakistan nicht zugunsten von Nigeria im Stich lassen.

Genauso muss unser Augenmerk Afghanistan gelten. Wir stehen im Wort bei allen noch polioendemischen Ländern. Deshalb ist die Bitte um höhere Spenden richtig. Sie zeigt im Übrigen im Hinblick auf das 100-jährige Jubiläum unserer Rotary-Stiftung auch unsere Entschlossenheit, Versprechen einzulösen.

Wir alle sind aufgefordert, weltweit gemeinsam unser Ziel zu erreichen: eine Welt ohne Kinderlähmung. Wir wollen ein verlässlicher Partner sein, wollen den Menschen helfen und so der Öffentlichkeit beweisen, was Rotary ist und tut.


www.polioplus.de