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Rotary Entscheider

Leben wie im Fünf-Sterne-Hotel

Rotary Entscheider - Leben wie im Fünf-Sterne-Hotel
Freut sich auf Besuch und Testesser: Fabian Riedel. Im Hintergrund oben: Die Zuchtanlage in Erding © Elias Förg

Vom Anwalt zum Aquakulturunternehmer – Fabian Riedel, der Gründer von Oceanloop und Honest Catch in München, züchtet seit 2016 White-Tiger-Shrimps fernab ihres tropischen Habitats und taufte sie „Bayerische Garnelen“.

01.02.2024

„Litopenaeus vannamei“ heißen die unscheinbar grau-durchsichtigen Tiere aus der Familie der Zehnfußkrebse biologisch korrekt – schwer zu merken. Nicht für Fabian Riedel: Er beschäftigt sich seit acht Jahren damit, eine der weltweit beliebtesten Garnelensorten in verlässlicher Top-Qualität zu züchten, um eine nachhaltige Alternative zu Import-Shrimps zu schaffen. Mittlerweile hat der Jurist Deutschlands größte landba - sierte Indoor-Salzwasserzucht aufgebaut.

Herr Riedel, Sie haben sich vom promovierten Rechtsanwalt zum Garnelen-Experten entwickelt – woher der Interessenwandel?

Nach einem Besuch bei einem alten Schulfreund, der versuchte, in seiner Wohnung Krebse aus Australien zu züchten, wurde mir klar, dass das eine interessante Geschäftsidee sein könnte. Mich fasziniert das Thema bis heute.

Garnelen leben im warmen Wasser von Mangrovensümpfen. Der Aufwand, eine Aquakultur mit ähnlichen Bedingungen zu schaffen, dürfte groß gewesen sein.

Es hat Jahre gedauert, um unsere Produktion so zu optimieren, dass wir an Wachstum denken können. Inzwischen arbeiten wir mit einem Team von Top-Spezialisten aus der Branche und wissen, was wir tun.

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Das Ziel: Honest Catch soll zu einer Marke mit hoher Anziehungskraft werden – eine sogenannte Lovebrand © Elias Förg

Zurzeit produzieren Sie 20 Tonnen Garnelen, im Jahr 2027 werden es 2000 Tonnen sein – wie geht das?

Ein gigantischer Sprung, macht aber bei einem europäischen Importvolumen von 800.000 Tonnen nur 0,26 Prozent Marktanteil aus. Wir planen gerade in Spanien die größte landbasierte – und nachhaltigste – Garnelenfarm der Welt, Zwei Drittel des Energiebedarfs werden wir mit Wind und Sonne erzeugen. Mit der hundertfachen Produktionsmenge werden wir dann in den Supermärkten die erste europäische Alternative zur Importware aus Asien oder Südamerika sein – und uns von dem Begriff „Bayerische Garnele“ verabschieden müssen.

Aber noch ist es ja nicht so weit. Wie wäre es bis dahin mit einem „Garnelen-Gustl“ auf dem Hamburger Fischmarkt? Die Bude von „Aale-Dieter“ ist eine Institution …

Schöne Idee, aber … Nein! Der Vertrieb unserer Garnelen und vieler weiterer Produkte läuft über Honest Catch, und das vor allem online an Privatkunden. Wir setzen auf E-Commerce, der Markt für E-Food in Europa wächst rasant.

Tatsächlich gibt es immer weniger Fischläden, auch die Fischtheken in Supermärkten schwinden. Warum?

Seafood ist erklärungsbedürftig, man braucht geschultes Personal, um die Kunden an die Hand zu nehmen. Außerdem: Die Ware nach drei Tagen Transport noch wirklich frisch in die Theke zu bekommen – und sie frisch zu halten –, ist aufwendig. Fische und Meeresfrüchte müssen bei konstanten null bis zwei Grad gekühlt werden – wie soll das gehen, wenn die Ware den ganzen Tag über in der Auslage herumliegt? Die Textur des Fleisches wird dann mit jeder Stunde schlechter. Hinzu kommt: Fisch kann sich nicht jeder leisten. Andererseits gilt: Konsumenten gehen weg von Fleisch- und Wurstwaren, landen auf der Suche nach alternativen Proteinquellen aber doch wieder beim Fisch. Und da kommen wir ins Spiel: Wir stellen unsere Garnelen und anderes Seafood über Honest Catch in garantiert bester TK-Qualität per Overnight-Versand zu.

Hört sich aber nach viel Verpackungsmüll an!

Nein. Wir bauen ein Nest aus 100 Prozent nachhaltiger Kartonage und TrockeneisPellets in 600-g-Blöcken, die nach dem Auspacken einfach verdampfen.

Mit den Preisen für die Bayerische Garnele liegen Sie im oberen Drittel vergleichbarer Seafood-Produkte. Werden Sie zukünftig günstiger anbieten?

Mit der neuen Farm haben wir Produktionskosten wie in Südostasien oder Zentralamerika. Wenn wir die Stückkosten reduzieren und uns auf dem gleichen Preislevel wie die Garnelen aus Bangladesch befinden, wird sich der Konsument hoffentlich für unsere Garnelen entscheiden. Das Ziel ist aber, eines Tages günstiger als die Importware zu sein. Qualitativ sind wir auf jeden Fall jetzt schon besser – in dieser Beziehung haben wir noch nie Probleme gehabt.

Was macht Sie da so sicher?

Die große Mehrheit der Produzenten, vielfach Kleinbauern in Vietnam oder Bangladesch, züchtet Garnelen unter widrigen Bedingungen. Das bedeutet, die Tiere leiden unter Stress, sind krankheitsanfällig, bekommen Antibiotika. Die Farmer werden für ihre Garnelen so schlecht bezahlt, dass sie den Tieren weder hochwertiges Futter noch ausreichend Platz spendieren können. Unsere Garnelen dagegen leben in einem Fünf-Sterne-Hotel, wir haben perfekte Wasserkonditionen. Das Wasser zirkuliert im Kreis und wird immer wieder gefiltert, wir brauchen fast kein Frischwasser. Von Anfang an hatten wir kein einziges Problem mit Krankheiten. Genau das ist der Vorteil von Zucht in geschlossenen Kreisläufen, es gibt keine negativen Einflüsse. Keine Vögel machen ins Becken, keine Schwermetalle gelangen ins Wasser, keine Lastwagen verlieren neben den Teichen Öl. Wir haben unsere Becken mit mangrovenartigen Bauten versehen, eigenes Futter mit einem Zehn-Prozent-Anteil Insekten entwickelt und werden sofort gewarnt, wenn es den Tieren schlecht geht.

Wie muss man sich das vorstellen?

KI macht’s möglich. Jedes einzelne Tier wird fortlaufend kameraüberwacht und getrackt, bei erhöhtem Stresslevel erscheinen ihre Schwänze rot auf dem Überwachungsmonitor, und die Software macht Meldung.

Was steht neben dem Thema Spanien derzeit noch auf Ihrer Agenda?

Brand-Recognition für Honest Catch, denn diese Marke ist vielen noch nicht bekannt. Meine Kernidee 2016 war die Gründung eines Agricultural-Tech-Unternehmens mit der Zucht von Garnelen. Daraus entwickelte sich dann 2018 die Belieferung von Promi-Köchen in den besten Restaurants, das Unternehmen firmierte damals unter Crusta Nova. Nun waren wir auch ein Handelsunternehmen und hatten zwei Geschäftsbereiche, die mehr oder weniger ein Eigenleben entwickelten. Ende 2022 haben wir dann eine Trennung vollzogen und uns neu positioniert: Unter Oceanloop firmieren unsere Garnelenfarmen – eine haben wir übrigens auch in Kiel – und unsere Technik. Mit Honest Catch haben wir einen Seafood-Vertrieb aus der Taufe gehoben.

Was bezeichnen Sie als Ihren größten Erfolg?

Dass wir nicht pleite sind, ehrlich gesagt. Dass wir es über die Jahre geschafft haben, so viel zu lernen, die hochkomplexe Zucht zu verstehen und keine wirklich schweren Fehler gemacht zu haben. Ohne die sieben Jahre Erfahrung nach harter Knochenarbeit und die kleineren bis mittelgroßen Fehler, aus denen wir gelernt haben, hätte ich unser neues Projekt nie in Angriff genommen. Aber so bin ich mir sicher: Wir bekommen das hin.

Vermissen Sie Ihre Arbeit als Anwalt?

Was wir hier machen, ist unglaublich spannend und relevant. Ich glaube, als Anwalt ist es langweiliger – allerdings sicherer. Nur: Ich bin durch und durch Unternehmer.

Die Weltmeere sind überfischt, herkömmliche Agrikulturen enorme CO₂-Treiber, immer mehr Menschen müssen ernährt werden – schwimmt die Lösung in Ihren Becken?

Vielleicht. Auch verschiedene Fischarten fühlen sich bei uns wohl, wir haben schon eine Sorte im Blick, die sich gut für die landbasierte Zucht eignen würde. Andere Indoor-Anbieter sind ebenfalls sehr aktiv, aktuell gibt es 256 Lachs- und 42 Shrimp-Zuchten. Aber Shrimps sind das wichtigste Seafood der Welt – in zig Varianten. Man findet sie in allen Küchen, als Tatar, Vorspeise, Suppe, gebraten …

… und Ihr Lieblingsrezept ist …?

Garnelen mit Zitronenrisotto. Wer es mal ausprobieren möchte, findet das Rezept bei uns online. Aber auch Königslachs, Black Cod und Hummer esse ich gern, besonders komplett ausgelösten Tiefkühlhummer.

Würden Sie interessierte Rotary Clubs durch Ihre Anlage in Erding führen?

Klar, das haben wir auch schon gemacht. Das ist für mich eine gute Gelegenheit, meine phasenweise nicht besonders häufigen Clubbesuche zu kompensieren, und perfekt dafür geeignet, weitere Rotary-Mitglieder kennenzulernen. Ihre wichtigste Botschaft für die rotarischen Freunde? Kommt in Erding vorbei, und probiert unbedingt unsere Garnelen!

Das Gespräch führte Frauke Eichenauer.


Zur Person

Dr. Fabian Riedel, RC München-Hofgarten, ist Gründer und CEO von Honest Catch sowie Gründer und Co-CEO der Oceanloop-Gruppe, die 2023 als Zusammenschluss der führenden deutschen Garnelenzüchter gegründet wurde.

honest-catch.com