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Editorial

Licht und Schatten des Jahres 1917

Editorial - Licht und Schatten des Jahres 1917
© Illustration: Jessine Hein/Illustratoren

René Nehring über die mediale Aufarbeitung des Kommunismus

01.02.2017

Über das Wesen des Kommunismus ist viel gesagt und geschrieben worden.

In den immer noch regelmäßig erscheinenden Büchern, Zeitungsartikeln, Magazingeschichten und Fernsehreportagen dominieren vor allem Beiträge über die Zeit des Stalinismus und die Implosion des Ostblocks in den Jahren 1989/91. Die Oktoberrevolution, die die Machtergreifung der Bolschewiki im Herbst 1917 markiert, findet hingegen wenig Aufmerksamkeit. Noch seltener erwähnt wird die vorausgegangene Februarrevolution desselben Jahres, in deren Verlauf der Zar abdanken musste und ­eine Doppelherrschaft aus Parlament (Duma) sowie ­Arbeiter- und Soldatenräten ­(Sowjets) errichtet wurde.

Dabei liegt in beiden Ereignissen ein Schlüssel für das Verständnis der folgenden Jahrzehnte. Das Bild „Winterpalast eingenommen“ von Wladimir Alexandrowitsch Serow auf der Titelseite dieses Heftes zeigt eindrucksvoll, wie damals zwei Welten aufeinanderprallten: Ein paar Berufsrevolutionäre erobern eine Welt, mit der sie schlicht nichts anfangen können. Natürlich hatten nur wenige Russen Anteil an dem Luxus, der im Hintergrund des Bildes aufleuchtet. Doch just in der Zeit unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg erlebte das Land einen enormen Aufschwung, der immer mehr Menschen Wohlstand versprach. Diese Entwicklung wurde mit den Ereignissen des Jahres 1917 brutal gestoppt. Die Kraft der Revolutionäre reichte lediglich zur Zerschlagung der alten Welt, für die Errichtung einer eigenen funktionierenden Ordnung fehlten ­ihnen die Fähigkeiten. So blieb den neuen Machthabern nichts anderes, als ihre ­Herrschaft mit brutaler Gewalt aufrechtzuerhalten. Mit fatalen Folgen für diejenigen Teile der Welt, die sie in den folgenden Jahren ebenfalls eroberten.

Diesen und weiteren Aspekten widmen sich die Beiträge ab Seite 34. Sie zeigen ­unter anderem, dass die Ereignisse rund um das Jahr 1917 noch immer aktuell sind.

Just zur gleichen Zeit begann am anderen Ende der Welt in aller Stille eine Revolution ganz anderer Art. Mit der Errichtung eines Fonds, „um Gutes in der Welt zu tun“, legte der damalige Präsident von Rotary International Arch C. Klumph den Grundstein für die Rotary Foundation, die seit vielen Jahren das wichtigste „Werkzeug“ der Rotarier bei der Umsetzung ihrer Projekte und Programme ist. Die Koinzidenz von Revolution und Gründung der Foundation mag Zufall sein. Doch sind beide Ereignisse offenkundig Antworten auf die Erschütterungen des Ersten Weltkriegs.

Die Gegenüberstellung zeigt deutlich, welcher Weg der erfolgreichere war. Während der Kommunismus bis auf wenige Inseln seit mehr als einem Vierteljahrhundert Geschichte ist, ist die Rotary Foundation mit ihren Schwerpunktbereichen Frieden und Konfliktprävention/-lösung, Krankheitsvorsorge und -behandlung, Wasser und Hygiene, Gesundheit von Mutter und Kind, Bildung sowie Wirtschafts- und Kommunal­entwicklung heute mehr denn je ein angesehener Global Player.

Es grüßt Sie herzlichst Ihr

René Nehring
Chefredakteur